Rom hofft auf Kompromiss

Italien plant Zugeständnisse im Defizitstreit und erwartet Entgegenkommen

Rom hofft auf Kompromiss

Italiens Regierung will durch Zugeständnisse ein EU-Defizitverfahren abwenden. Sie rechnet 2019 mit einem Haushaltsfehlbetrag von 2,1 %. Die wahre Nagelprobe wird jedoch der Budgetentwurf für 2020 sein. Vorgesehen ist darin eine Reihe von teuren Maßnahmen ohne Gegenfinanzierung.bl/ahe Mailand/Brüssel – Italiens Regierung ist optimistisch, ein EU-Defizitverfahren verhindern zu können. Wirtschafts- und Finanzminister Giovanni Tria gibt sich überzeugt, dass Rom den Haushaltsfehlbetrag 2019 trotz eines Nullwachstums auf 2,1 % begrenzen kann.Ob Brüssel Rom formal eine zusätzliche Frist bis Januar einräumt, um die Defizitregeln einzuhalten, ist noch offen. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass ausgerechnet die scheidende EU-Kommission Italien das Messer an die Gurgel setzt.Die Regierung in Rom ist sich indes bewusst, dass sie der EU-Kommission entgegenkommen und konkrete Verpflichtungen zur Einhaltung der Defizitregeln eingehen muss.Sie macht zwar deutlich, an den geplanten Steuersenkungen festzuhalten und auch bei der Mindestsicherung oder der Herabsetzung des Mindestrenteneintrittsalters keine Abstriche machen zu wollen. Doch rechnet Rom mit höheren Steuereinnahmen, geringeren Ausgaben für das Grundeinkommen und das vorgezogene Renteneintrittsalter sowie Erlösen aus Privatisierungen und der Veräußerung von staatlichen Immobilien. Außerdem “trickst” Italiens Regierung und verlangt etwa von der teilstaatlichen Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) eine Sonderdividende von 800 Mill. Euro.Die wahre Nagelprobe mit Brüssel wird der Budgetentwurf für 2020 bringen. Italien hat sich zu einer Mehrwertsteuererhöhung verpflichtet, wenn die geplanten Zusatzausgaben nicht anderweitig gegenfinanziert werden können. Vizepremier und Lega-Chef Matteo Salvini hat jedoch deutlich gemacht, eine Mehrwertsteuererhöhung keinesfalls zu akzeptieren. Er dringt trotzdem massiv auf die Einführung einer Flat Tax von 15 % für Einkommen und Umsätze unter 55 000 Euro. Und Luigi Di Maio, Chef der populistischen 5 Stelle und ebenfalls Vizepremier, fordert einen gesetzlichen Mindestlohn von 9 Euro pro Stunde, der für Italiens Unternehmen viel zu hoch und mit erheblichen Mehrkosten verbunden wäre. Sie sollen deshalb steuerlich entlastet werden. Die Finanzierung dieser Maßnahmen ist nicht gesichert.Für 2019 geht die Regierung jedoch zunächst von einer Entlastung im Streit mit Brüssel aus. Im Vorfeld einer Kabinettssitzung am heutigen Mittwoch, in deren Rahmen Rom eine Art Mid-Term-Haushaltsplanung vorstellen will, wollen sich die Minister auf eine Grundlinie einigen. Es wird erwartet, dass es Zugeständnisse gegenüber der EU-Kommission geben wird. Ein Kompromiss könnte in einer über mehrere Jahre gestreckten Einführung der Flat Tax, glaubhafteren Verpflichtungen sowie der Vermeidung höherer Defizite bestehen.Die EU-Kommission hatte auf ihrer gestrigen Sitzung eine kurze “Orientierungsaussprache”. Unter anderem Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici informierte über den Stand der Gespräche. Die Kommission vertagte das Thema Defizitverfahren dann aber auf nächste Woche. Als nächsten Schritt könnte die Behörde einen formalen Antrag zur Eröffnung des Verfahrens stellen, dem die EU-Staaten dann noch einmal zustimmen müssten. Dies könnte beim nächsten Treffen der EU-Finanzminister am 9. Juli geschehen. Ein Sprecher der EU-Kommission betonte gestern lediglich, die Arbeiten am Defizitverfahren würden weiter fortgesetzt. Bringt Olympia neues Geld?Für parteiübergreifende Begeisterung sorgte indes der Zuschlag für die Olympischen Winterspiele 2026 an Mailand und 13 weitere Standorte. Einer Studie der Mailänder Universität Bocconi zufolge könnte der wirtschaftliche Effekt bis zu 5 Mrd. Euro betragen und 36 000 neue Jobs entstehen lassen. Die Kosten werden auf 1,3 Mrd. Euro geschätzt. Dazu kämen 340 Mill. Euro für Infrastrukturmaßnahmen.