Rom kündigt großes Reformprogramm an

Conte will Teil der europäischen Mittel schon früher

Rom kündigt großes Reformprogramm an

bl Mailand – Italiens Premierminister Giuseppe Conte will die Mittel des geplanten europäischen Wiederaufbaufonds für ein ehrgeiziges Reformprogramm im Land nutzen. Das Hilfsprogramm biete eine “historische Gelegenheit für eine Wiedergeburt des Landes”, sagte Conte. Die Mittel müssten “gut verwendet” werden und seien nicht dazu gedacht, sie nach Gutdünken auszugeben. Geplant seien eine ernsthafte Steuerreform, Investitionen in die Digitalisierung, etwa in Zahlungssysteme, um beispielsweise die Schwarzarbeit besser zu bekämpfen, Investitionen in die Modernisierung des Landes, in Straßen und Schienen, vor allem im Süden, sowie in Energie- und Breitbandnetze und in Schulen. Auch in Justiz und Staatsverwaltung seien Reformen dringend.Der Regierungschef will mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Gespräche aufnehmen, um einen Teil der für Italien vorgesehenen Mittel von 173 Mrd. Euro, die in Form von Zuschüssen und sehr zinsgünstigen Krediten mit langer Laufzeit ausgezahlt werden sollen, früher zu erhalten. “Wir haben es eilig”, sagte Conte. Ob das Land auch Mittel aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) annimmt, ließ er offen: “Das hängt von den Bedingungen ab.”Der Premierminister kündigte an, sich schon in den nächsten Tagen mit den Sozialpartnern, aber auch mit Vertretern der Opposition treffen zu wollen. Conte zufolge hat die Regierung im Rahmen der Coronavirus-Pandemie zusätzlich 80 Mrd. Euro für Unternehmen, Haushalte, Beschäftigte und Selbständige zur Verfügung gestellt.Notenbankchef Ignazio Visco rechnet in diesem Jahr mit einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts um bis zu 13 %. Die Schulden werden nach bisherigem Stand von 135 % auf bis zu 159 % des Bruttoinlandsprodukts steigen. Die EU erwartet einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um bis zu 1,2 Millionen Menschen. Conte erwägt, bestehende Kurzarbeiterregelungen und Hilfen für Familien und Unternehmen zu verlängern, wodurch Defizit und Schulden noch stärker steigen dürften. Der Premierminister räumte ein, dass es wegen des “ineffizienten Staatsapparats” Verzögerungen bei der Auszahlung von Hilfen gegeben habe. Ob die in sich zerstrittene Regierung, die von einzelnen Regionen und der rechten Opposition massiv angegriffen wird, in der Lage ist, ein so ehrgeiziges Programm durchzusetzen, ist mehr als fraglich.Seit gestern sind Reisen zwischen den Regionen Italiens wieder möglich. Mit Ausnahme von Österreich, der Schweiz, Griechenlands und anderer Länder sind auch die meisten Grenzen wieder offen.