HISTORISCHER EU-GIPFEL

Rom und Madrid frohlocken

Italien und Spanien profitieren - Macron in der Kritik

Rom und Madrid frohlocken

wü/bl/ths Paris/Mailand/Madrid – Erleichterung bei den Hauptprofiteuren Italien und Spanien, Kritik aus der Heimat an Frankreichs Präsident Emmanuel Macron: Das Echo auf die Gipfelbeschlüsse in Europas großen Volkswirtschaften fiel geteilt aus. “Ein historischer Tag für Europa”: So verkündete Macron Dienstagfrüh um 5.33 Uhr auf Twitter die Einigung. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire urteilte im Radiosender “France Info”, der Hilfsplan sei “die Geburtsurkunde eines neuen Europas”. Dieses neue Europa werde solidarischer, grüner und deutsch-französischer sein. Auch Macrons Vorgänger François Hollande lobte die Beschlüsse. Die Schärfe der Verhandlungen und die eingegangenen Konzessionen hätten gezeigt, dass eine Gruppe von Ländern rund um das deutsch-französische Paar nötig sei, um besser voranzukommen. Von anderen Oppositionspolitikern musste Macron harsche Kritik einstecken. Dieser habe das für Frankreich schlimmste Abkommen seit Bestehen der EU unterzeichnet, pestete Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National. Um sein Ego zu schützen, opfere er die Zukunft und Unabhängigkeit Frankreichs. Nadine Morano von den konservativen Republikanern bemängelte, es sei ein kläglicher “historischer Tag”, der viel Geld kosten werde. Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon sagte, Macron habe nachgegeben, und so werde Frankreich jetzt mehr Geld zurückzahlen müssen, als das Land erhalte. In Italien, einem der Hauptprofiteure, stieß die Einigung auf breite Zustimmung. Selbst Teile der Opposition wie Forza Italia, die Partei von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi, und sogar die neofaschistische Fratelli d’Italia zeigten sich zufrieden. Mit 209 Mrd. Euro, davon 81,4 Mrd. Euro in Form von nicht rückzahlbaren Zuschüssen, erhält Rom deutlich mehr als die ursprünglich vorgesehenen 173 Mrd. Euro.”Wir haben ein Resultat erreicht, von dem wir vor einigen Monaten nur träumen konnten”, sagte Wirtschaftsminister Roberto Gualtieri. Premierminister Giuseppe Conte verwies darauf, dass Italien 28 % des Gesamtvolumens der Wiederaufbaufonds erhalte, und sprach von einem “historischen Moment für Europa und Italien”. Conte sieht die zerstrittene Regierung in Rom nach der Einigung als gestärkt an. Man könne nun sogar auf die Mittel des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) verzichten, hieß es. Dieses Thema war in der Regierung sehr umstritten.Gualtieri versprach, man werde sich sofort an die Arbeit machen und mit dem Geld Investitionen in Infrastrukturen und Digitalisierung fördern. Unzufrieden zeigte sich nur Lega-Chef Matteo Salvini, der von einem “großen Schwindel” sprach. Pedro Sánchez, der Ministerpräsident des zweiten großen Nutznießers Spanien, feierte das Abkommen als “einen wahren Marshall-Plan”. Schließlich profitiert sein Land mit 140 Mrd. Euro nach Italien am meisten. Der Betrag, der gut 11 % des Bruttoinlandsproduktes von 2019 entspricht, kommt den ursprünglichen Erwartungen sehr nahe. Er sei “zu 95 % zufrieden”, sagte Sánchez. Die fehlenden 5 % erklären sich damit, dass Madrid mit einem höheren Anteil an Zuschüssen gerechnet hatte als jene 72 Mrd. Euro, die nun fließen werden. Der Sozialist versicherte, seine Regierung stehe ganz auf der Linie der Reformpläne der EU-Kommission.Daheim lösten die vereinbarten Auflagen zu Strukturreformen unterschiedliche Reaktionen aus. Die Gewerkschaften und der Koalitionspartner von Sánchez` Sozialisten, das Linksbündnis Unidas Podemos, warnten davor, die geplante teilweise Rücknahme der Arbeitsmarktreform der konservativen Vorgängerregierung zu unterlassen. Der Arbeitgeberverband CEOE und die rechte Opposition bekräftigten dagegen, die Regierung solle nun keine Experimente am Arbeitsmarkt riskieren.Sánchez hatte auf dem viertägigen Gipfel eine diskrete Rolle eingenommen und spielte Differenzen mit den “sparsamen vier” herunter. “Keine Regierung ist europäischer als die anderen”, sagte der Spanier.