Rom will Defizit-Plan nicht korrigieren

Antwort auf EU-Brief - Notenbankchef Visco besorgt

Rom will Defizit-Plan nicht korrigieren

bl Mailand – Italiens Regierung ist zuversichtlich, das für dieses Jahr angepeilte Defizit von 2,4 % zu erreichen bzw. besser abzuschneiden. Das teilte Wirtschafts- und Finanzminister Giovanni Tria der EU-Kommission in seinem Antwortschreiben auf einen Brüsseler Brief vom 29. Mai mit. Tria hält Korrekturen am Haushalt für nicht nötig. Er erwartet eine Konjunkturbelebung und infolgedessen höhere Steuereinnahmen. Brüssel hatte zusätzliche Maßnahmen der italienischen Regierung angemahnt und droht mit der Einleitung eines Defizitverfahrens.Weder Wirtschaftsinstitute noch IWF, EU-Kommission oder OECD teilen Trias Optimismus. Die meisten Vorhersagen gehen von einem Nullwachstum oder nur einem kleinen Plus sowie einem deutlichen Anstieg des Haushaltsfehlbetrags aus. Das italienische Statistikamt Istat korrigierte die Wachstumsquote für das erste Quartal 2019 von bisher 0,2 % auf 0,1 % nach unten.Banca-d’Italia-Chef Ignazio Visco zeigte sich besorgt über die Entwicklung der Zinsdifferenz zwischen deutschen und italienischen Anleihen (Spread) sowie der Prämien für Kreditausfallversicherungen. Der Anstieg bei Bonds mit zehnjähriger Laufzeit auf bis zu 292 Basispunkte habe schwerwiegende Folgen für den Staat, die Banken und Unternehmen und bremse das Wachstum, sagte er bei der Jahresversammlung der Notenbank. Die Refinanzierungskosten für Staat und Banken stiegen damit deutlich. Damit werde die Wirkung einer expansiven Ausgabenpolitik konterkariert, glaubt Visco.Visco mahnte eine glaubhafte und stringente Politik zum Schuldenabbau an, die finanziell verträglich und nachhaltig sein müsse. Der Notenbankgouverneur forderte auch eine umfassende Steuerreform.Vizepremier und Lega-Chef Matteo Salvini griff diese Forderung heraus und interpretiert sie als Bestätigung seiner Politik. Gestärkt durch seinen Wahlsieg bei der Europawahl dringt er nun vehementer auf die Realisierung von Infrastrukturvorhaben wie den vom Koalitionspartner 5 Stelle bekämpften Bau einer Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke zwischen Lyon und Turin sowie die Einführung einer Flat Tax. Salvini plant, Einnahmen von Unternehmen und Haushalten bis zu 50 000 oder sogar 65 000 Euro mit einer Einheitssteuer von nur noch 15 % zu belegen. Die Kosten für die Maßnahme schätzt er selbst auf mindestens 30 Mrd. Euro. Finanzieren will er die Flat Tax über eine Erhöhung des Defizits. Er glaubt, dass die Steuersenkungen einen wirtschaftlichen Boom auslösen, der üppige Steuereinnahmen in die Staatskassen spült.Die 5 Stelle unterstützen die Einführung der Flat Tax, die Bestandteil der Koalitionsvereinbarungen ist, und sind auch damit einverstanden, sie durch ein höheres Defizit zu finanzieren. Salvinis Pläne für eine neue Steueramnestie lehnen sie aber ab. Nachdem die Parteimitglieder Vizepremier und 5-Stelle-Chef Luigi Di Maio in einer internen Abstimmung trotz der schweren EU-Wahlschlappe das Vertrauen ausgesprochen haben, sitzt Di Maio wieder fester im Sattel. Lega und 5 Stelle wollen die Koalitionsregierung fortsetzen.