LEITARTIKEL

Rostige Schlüssel

Die Tür macht auf, die Tor macht weit": China predigt schon seit Jahren eine Liberalisierungsoffensive im Finanzdienstleistungsbereich, die ausländischen Instituten mehr Zugang zum riesigen, aber noch sehr entwicklungsfähigen Markt im Reich der...

Rostige Schlüssel

Die Tür macht auf, die Tor macht weit”: China predigt schon seit Jahren eine Liberalisierungsoffensive im Finanzdienstleistungsbereich, die ausländischen Instituten mehr Zugang zum riesigen, aber noch sehr entwicklungsfähigen Markt im Reich der Mitte gewähren soll. In diesem Jahr haben sich Chinas Wirtschaftsplaner und Finanzregulatoren nun doch einen entscheidenden Ruck gegeben. Eine Reihe von Öffnungsschritten bringen eine Lockerung von Beteiligungsgrenzen und/oder die Abschaffung des besonders tückischen Zwangs zum Eingehen von Partnerschaften mit heimischen Adressen.Den ausländischen Playern im Banken-, Versicherungs- und Wertpapiergeschäft winkt also ein eigenständigerer Marktauftritt, den es in den kommenden Jahren beherzt zu nutzen gilt. Die Frage ist nur, ob dies tatsächlich möglich ist. Ganz so groß ist das Entgegenkommen der mit Blick auf den Schutz der heimischen Finanzindustrie stets auf Zeitverzögerung und Geduldsspielchen geeichten chinesischen Behörden nämlich nicht.Aus Pekinger Sicht steht man bei allem Liberalisierungsbestreben vor einem heiklen Interessenkonflikt. Einerseits ist man durchaus um Finanzreformen bemüht und trachtet nach einer globaleren Rolle für Chinas Finanzmärkte. Ausländische Investmentbanken und Fondsgesellschaften sind dabei herzlich eingeladen, ausländisches Kapital nach China zu schleusen. Gleichzeitig sollen sie mit überlegenem Management-Know-how, geballter globaler Markterfahrung und höherer Innovationsfähigkeit zu einer Vitalisierung und Wettbewerbsanregung in der chinesischen Finanzindustrie beitragen. Andererseits freilich sollen die versierten ausländischen Player aber bloß nicht den chinesischen Markt grandios aufrollen und heimischen Adressen größere Marktanteile abjagen. Hier stößt man auf eine tief sitzende Angst, die schon im Jahr 2001 bei der Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation WTO dazu führte, dass sich Peking Ausnahmeregeln bei der Öffnung des Finanzmarktes ausbedingte, die noch heute breite Wirkung zeigen.Ein weiterer Grund für die beharrliche Verzögerungstaktik hat mit dem handelspolitischen Umfeld zu tun. Peking ist sich sehr wohl bewusst, dass der von den USA und der EU immer wieder beharrlich geforderte verbesserte Marktzugang zum chinesischen Finanzsektor einen “bargaining chip”, also ein Verhandlungs-Faustpfand darstellt. Das hat man sich zum Erstreiten handelspolitischer Gegenleistungen gut aufgehoben. So war das jüngste Nachgeben gegenüber Forderungen Washingtons und der Wall Street eine wichtige Facette des sogenannten Phase-Eins-Deals im handelspolitischen Ringen zwischen China und den USA.Bei den ausländischen Finanzdienstleistern ist man Kummer beim schleppenden Öffnungstempo gewöhnt, weiß sich aber stets damit zu trösten, dass auch ein bescheidenes Entree in einem riesengroßen Markt sich läppern kann. Rund 45 Bill. Dollar Gesamtumfang sind schließlich kein Pappenstiel. Bislang konnten die großen westlichen Investmentbanken nur durch Joint Ventures mit lokalen Partnern China-Erfahrungen sammeln. Sie haben sich jedoch praktisch alle als konfliktreich und teils wenig profitabel erwiesen. Nun sind mit dem Wegfall von Beteiligungsgrenzen auch Kontrollanteile und Alleinauftritte möglich. Das vermeintliche Paradies ist damit freilich noch lange nicht erschlossen.Der chinesische Markt ist mit politischen Fallstricken übersät, erlaubt überwiegend nur kleinere Kapitalmarktdeals und basiert auf einem engen Beziehungsgeflecht und höchst undurchsichtigen regulatorischen Umfeld, das es nun im Alleingang zu navigieren gilt. Für Goldman Sachs, J.P. Morgan, UBS und Co. wird es nun vor allem auch darum gehen, neue Lizenzen für Brokergeschäft und Assetmanagement-Aktivitäten ohne allzu lange Wartezeiten zu erhalten. Die Mitarbeiter müssen zudem darauf geeicht werden, weg vom klassischen Kapitalmarktgeschäft auch tendenziell profitablere Nischen zu belegen, wie beispielsweise Privatplatzierungen, Restrukturierungsmandate, Spin-offs und Technologiesektor-Listings.Es gilt Felder neu zu besetzen, in denen der Erfahrungsschatz und die Stärken von etablierten westlichen Investmentbanken besonders gut zur Geltung gebracht werden können. Auch wenn es gelingen mag, mit Kraft und Ausdauer die quietschenden Tore zum chinesischen Markt zu öffnen: Nun liegt ein steiniger Weg vor den Aushängeschildern des westlichen Investment Bankings, bevor sie im chinesischen Markt tatsächlich das große Geld machen können. ——Von Norbert Hellmann Der Weg hin zum ebenen Wettbewerbsterrain in China ist trotz einiger Öffnungsschritte für Auslandsbanken noch sehr beschwerlich.——