NOTIERT IN LONDON

Rot oder Grün?

Sadiq Khan (45) hat ein paar harte Wochen vor sich. Die Londoner Bürgermeisterwahlen finden zwar erst am 5. Mai statt, aber die Schlammschlacht ist bereits in vollem Gange. Der Spitzenkandidat von Labour liegt in den Umfragen derzeit vor seinem...

Rot oder Grün?

Sadiq Khan (45) hat ein paar harte Wochen vor sich. Die Londoner Bürgermeisterwahlen finden zwar erst am 5. Mai statt, aber die Schlammschlacht ist bereits in vollem Gange. Der Spitzenkandidat von Labour liegt in den Umfragen derzeit vor seinem konservativen Rivalen Zac Goldsmith (41). Die “Sun” warf dem Sohn eines pakistanischen Busfahrers aus dem sozialen Brennpunkt Tooting im Süden der britischen Metropole vor, nach Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen 2006 gemeinsam mit dem heutigen Labour-Chef Jeremy Corbyn an einer Kundgebung teilgenommen zu haben, auf der auch Islamisten vertreten waren.Khan habe deren blutrünstige Rachefantasien als “blumige” Ausdrucksweise verharmlost. Was das Massenblatt verschweigt: Nachdem er sich als Abgeordneter in Westminster für die Schwulenehe starkgemacht hatte, erhielt Khan selbst Morddrohungen aus den Reihen der Rechtgläubigen. Er wurde sogar von einem Imam aus Bradford per Fatwa zum Apostaten erklärt. Khan war der erste Muslim, der je einem britischen Regierungskabinett angehörte. Unter Gordon Brown fungierte der auf Menschenrechtsfragen spezialisierte Anwalt, der sich gegen Islamophobie und Antisemitismus einsetzt, als Verkehrsminister.Sein Gegner, Frank Zacharias “Zac” Robin Goldsmith, engagiert sich dagegen vor allem für Umweltthemen. Der Eton-Absolvent war fast ein Jahrzehnt Chefredakteur des Magazins “The Ecologist”, das von seinem Onkel herausgegeben wurde. Der “grüne Tory” vertritt seit 2010 den wohlhabenden Wahlkreis Richmond Park in Westminster. Als er im vergangenen Jahr wiedergewählt wurde, konnte er seine Mehrheit dort ausbauen. Dazu könnte ihm sein vehementer Widerstand gegen den Bau einer dritten Startbahn für den Flughafen Heathrow verholfen haben, die auch von Khan abgelehnt wird. Goldsmith will sein Mandat abgeben und eine Nachwahl auslösen, sollte sich David Camerons Kabinett für einen weiteren Ausbau Heathrows entscheiden. Vermutlich hat die Regierung deshalb noch nicht entschieden, wie die Flughafenkapazitäten im Süden Englands erweitert werden sollen. Ein Ja zu Heathrow würde die Chancen Goldsmiths mindern. Bei den Konservativen scheint man ohnehin Zweifel an der Zugkraft seiner Kampagne zu haben. Angeblich wurde ihm jüngst ein Spindoktor des Verkehrsministeriums zur Seite gestellt.Goldsmiths Versuche, Khan in die Nähe des linken Flügels von Labour zu rücken, sind bislang auf taube Ohren gestoßen. Er war zwar einer von 36 Abgeordneten, die Corbyn für die Parteiführung nominierten, ist aber alles andere als ein “Corbynista”. Zu seinen radikalsten Programmpunkten gehört es, keine weitere Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr zuzulassen. Labour hat bislang keine profilierten Vertreter der Linken zur Unterstützung Khans losgeschickt, was dessen Chancen verbessern dürfte.Weder Khan noch Goldsmith verfügt über das Charisma des amtierenden Bürgermeisters Boris Johnson, dem Ambitionen auf Camerons Posten nachgesagt werden. Der Verfasser einer Churchill-Biografie, die es auf die Bestseller-Listen schaffte, wirkt stets jovial und ein bisschen unaufgeräumt. Pubertäre Episoden wie das Posieren mit einem Schnellfeuergewehr in Kurdistan nimmt man ihm nicht lange übel. Während Khan das dem aufstiegswilligen Underdog eigene Wadenbeißergehabe zur Schau stellt, merkt Goldsmith jeder an, dass er mit dem Silberlöffel im Mund zur Welt gekommen ist. Unter seinen Vorfahren befinden sich auch Rothschilds. Nach dem Tod seines Vaters 1997 soll er zwischen 200 Mill. und 300 Mill. Pfund geerbt haben. James Goldsmith war in den 1980er-Jahren als Corporate Raider unterwegs. Dabei machte er Jagd auf Unternehmen wie Grand Union und Goodyear.Vieles spricht dafür, dass die Wahlbeteiligung die Wahl entscheiden wird. In der Vergangenheit lag sie im Schnitt bei 38 % – weit niedriger als bei Parlamentswahlen. Am höchsten war sie 2008, als Johnson Ken Livingstone aus dem Amt drängte. Je niedriger sie ist, desto höher sind die Chancen von Goldsmith, der mehr ältere Unterstützer hat. Sie gehen der Statistik zufolge eher zur Wahl als die jugendlichen Wahlberechtigten, die Labour stärker anzuziehen vermag.