Rückt die EU-Arbeitslosenrückversicherung näher?
Von Andreas Heitker, BrüsselWohl noch nie zuvor in der Geschichte der Europäischen Union ist ein neues Hilfsinstrument mit einem Volumen von 100 Mrd. Euro und mit einer gemeinsamen Haftung der Mitgliedsstaaten so problemlos in Brüssel durchgewunken worden wie der “Support mitigating Unemployment Risks in Emergency”, kurz: SURE. Am 2. April stellte die EU-Kommission das Hilfsprogramm vor, das helfen soll, von der Coronakrise bedrohte Arbeitsplätze und Erwerbstätige zu schützen. Und schon eine Woche später, am 9. April, gaben die EU-Mitgliedstaaten grünes Licht.Bei SURE sollen Staaten Kredite für ihre nationalen Kurzarbeitsregelungen sowie ähnliche Maßnahmen für Selbständige erhalten. Kurzarbeitergeld, diese Lehre wurde auch in Brüssel aus der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise gezogen, kann auf äußerst effektive Weise den dauerhaften Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen verhindern. Die EU-Kommission bietet den Mitgliedstaaten nun eine Art Rückversicherung für ihre nationalen Arbeitslosenversicherungen. SURE ist ein Teil des 540-Mrd.-Euro-Soforthilfepakets zum Kampf gegen die Coronakrise, zu dem auch ESM- und EIB-Kredite und Garantien gehören.Dafür gab es bereits viel Applaus. Auch für das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln geht dieser Vorstoß weitgehend in die richtige Richtung, wie Jürgen Matthes, der Leiter des Bereichs Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur, erläutert: “Das vorgeschlagene Instrument setzt mit der Unterstützung von Kurzarbeit ökonomisch an einer richtigen Stelle an, ist auf die Krise bezogen, ermöglicht als Ultima ratio auch Transfers und lässt die EU als Helfer sichtbar werden.”Zur Finanzierung der bis zu 100 Mrd. Euro will die EU-Kommission selbst Kredite am Finanzmarkt aufnehmen und diese dann zu günstigen Konditionen an die Mitgliedstaaten, die Geld für ihre Kurzarbeiterprogramme benötigen, weiterreichen. Damit die EU dieses Instrument jenseits des EU-Haushalts nutzen kann, sind Garantien durch die Mitgliedstaaten nötig. Sie sollen mindestens 25 Mrd. Euro abdecken und freiwillig, aber rechtsverbindlich sein.In der Eurogruppe wird mittlerweile zwar befürchtet, dass nicht alle nötigen Garantien bis zum vorgegebenen Stichtag 1. Juni vorliegen – dies liegt aber an den nationalen Genehmigungsprozessen und nicht an der politischen Unterstützung. Breite Unterstützung in EUDenn auch stabilitätsorientierte EU-Länder wie Deutschland haben dem Programm schnell zugestimmt. Denn zum einen ist das Haftungsrisiko letztlich begrenzt auf den jeweiligen Anteil am EU-Budget – anders als zum Beispiel bei Euro-Bonds. Und zum anderen werden die SURE-Gelder als Kredite weitergereicht und nicht als Zuschüsse.SURE hat bislang erst wenige Kritiker. Für Dirk Meyer, Professor für Volkswirtschaftslehre, Helmut-Schmidt-Universität, handelt es sich “de facto um europäische Anleihen mit gemeinschaftlicher Staatenhaftung, kurz: Euro-Bonds durch die Hintertür” (vgl. BZ vom 22. April).Noch nicht ausgestanden ist allerdings der Streit, ob SURE mehr als ein Notfallprogramm sein soll. Die EU-Kommission sagt, SURE sei “eine Notfallmaßnahme innerhalb des Instrumentariums der europäischen Arbeitslosenrückversicherungsregelung”. Allerdings gibt es eine solche dauerhafte Rückversicherungsregel noch gar nicht. Es gibt bislang lediglich das Versprechen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, einen entsprechenden Gesetzesvorschlag auszuarbeiten.Ob dieser dann aber politisch konsensfähig ist, ist auch nach den Erfahrungen der Coronakrise alles andere als sicher. Kritiker sehen in einer europäischen Arbeitslosenrückversicherung weiter nur ein Umverteilungsinstrument. Die EU-Staaten haben SURE zumindest nur mit dem Hinweis zugestimmt: “Der Standpunkt der Mitgliedstaaten zu diesem Dringlichkeitsinstrument greift dem Standpunkt zu künftigen Vorschlägen im Zusammenhang mit der Arbeitslosenversicherung nicht vor.”