Russwurm fordert Strukturreformen für eine wettbewerbsfähige Industrie
Industrie mahnt Regierung zu Reformen
BDI-Chef Russwurm warnt vor Rückfall des Industriestandorts – Scholz verspricht Transformationsplan für Energie
wf Berlin
Industriepräsident Siegfried Russwurm hat der Bundesregierung ins Gewissen geredet. “Deutschland fällt zurück”, sagte Russwurm beim Tag der deutschen Industrie. Für 2023 geht der Industrieverband BDI von einer Stagnation der deutschen Wirtschaft aus. Russwurm erwartet beim Bruttoinlandsprodukt “ernüchternde plus/minus 0%” gegenüber dem Vorjahr. Global wird die Wirtschaft nach Einschätzung des Industrieverbands BDI in diesem Jahr jedoch um 2,7% wachsen. Für 2024 sieht Russwurm durchaus Chancen für Wachstum. “Es ist möglich, aber es kommt nicht von allein”, sagte der BDI-Präsident.
Der BDI rechnet bei Ausrüstungsinvestitionen und Investitionen etwa in Patente und Lizenzen mit einem Anstieg. Durch den starken Rückgang bei Bauinvestitionen bliebe in der Summe ein Minus. Bauinvestitionen machen mehr als die Hälfte der Bruttoanlageinvestitionen aus. Russwurm warnte vor der Illusion, die Energiewende könne zur “Keimzelle eines neue Wirtschaftswunders” werden. Die Investitionen ersetzten zu einem großen Teil nur einen bestehenden Kapitalstock – und dies zu vielfach deutlich höheren Kosten. “Zusätzliches wirtschaftliches Wachstum bringt uns das erst einmal nicht”, betonte Russwurm. “Also keine Entwarnung für den Industriestandort Deutschland – im Gegenteil.”
Der Industriepräsident forderte die Politik in Berlin auf, Strukturreformen systematisch anzupacken. Er verlangte von der Bundesregierung ein konkret umsetzbares Konzept zur dauerhaft sicheren Versorgung mit Strom zu international wettbewerbsfähigen Kosten. “Die vielen staatlich induzierten Belastungen wie Steuern, Umlagen und Netzentgelte müssen reduziert werden, um Strom attraktiver zu machen als fossile Energieträger“, sagte Russwurm.
Scholz verspricht Plan
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erinnerte vor den Industrievertretern daran, dass die Bundesregierung nach dem Stopp der russischen Gaslieferung ein “Horrorszenario” vermieden habe. Die Wirtschaft sei nicht in eine schwere Rezession gefallen und auch Gas oder Strom seien nicht abgeschaltet worden. “Deutschlands Transformationsplan steht”, sagte Scholz nach vorn blickend. Das “Deutschland-Tempo” der Transformation des Energiesystems sei Gesetz oder werde es bald. Die Bundesregierung arbeite am Umbau des Energiesystems und am Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur.
Zugleich stimmte der Kanzler die Industrie auf die Kürzung staatlicher Leistungen ein. “Manche Subvention, manches Förderprogramm steht auf dem Prüfstand”, sagte er. Deutschland müsse nach den Ausnahmejahren der Krise zurück zur fiskalpolitischen Normalität. Diese erfordere klare Prioritäten. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) stellte beim Tag der Industrie in Aussicht, die Bundesregierung werde Anfang Juli einen Entwurf des Bundeshaushalts 2024 vorlegen, der die Vorgaben der Schuldenbremse respektiere und ohne Steuererhöhungen auskomme. Er werde nicht zulassen, dass die Bedingungen für die deutsche Wirtschaft durch Steuererhöhungen verschlechtert würden, bekräftigte Lindner. Bereits zweimal hat die Ampel-Koalition Entscheidungen über den Bundeshaushalt 2024 vertagt. Anders als SPD und Grüne lehnt die FDP Steuererhöhungen strikt ab.
“Wir brauchen einen steuerlichen Wachstumsimpuls”, sagte Lindner. Das Bundesfinanzministerium bereitet Lindner zufolge ein “großes Steuerreformpaket 2023” vor, mit dem die Steuerbürokratie gesenkt, Defizite in der Praktikabilität der Unternehmensbesteuerung beseitigt, die steuerliche Forschungsförderung ausgeweitet und eine Prämie für Investitionen in Klimaneutralität etabliert werde. Zugleich regte er an, die Stromsteuer abzuschaffen. Russwurm hatte zuvor bessere steuerliche Bedingungen für Investitionen am Standort gefordert.
Industriepräsident Siegfried Russwurm hat die Regierung aufgefordert, Strukturreformen systematisch anzupacken und ein konkretes Konzept für den Energieumbau zu wettbewerbsfähigen Preisen zu liefern. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versprach den Industrievertretern: Der Transformationsplan steht.