S & P: Fiskalische Entspannung ist trügerisch

Verzerrung durch Niedrigzinsen - Konsolidierung fortführen - Immobilienpreisentwicklung noch unkritisch

S & P: Fiskalische Entspannung ist trügerisch

Von Stephan Lorz, FrankfurtDie Ratingagentur Standard & Poor’s hat die Euro-Staaten davor gewarnt, dem Drängen einiger internationaler Organisationen nachzugeben und mit staatlichen Mehrausgaben die Konjunktur weiter anzukurbeln. Das Wachstum im Währungsraum sei bereits “am oberen Ende der Möglichkeiten”, sagte S & P-Chief-Rating-Officer Moritz Kraemer bei einem Rating-Update am Donnerstag. Stattdessen müsste man sich mehr Strukturreformen widmen, wo die Dynamik inzwischen deutlich nachgelassen habe. Zudem verringerten die niedrigen Zinsen den Reformdruck weiter und täuschten eine günstigere fiskalische Lage vor, als sie tatsächlich existiere (siehe Grafik). Zinssteigerungen würden die alten fiskalischen Probleme in einigen Staaten wieder aufbrechen lassen. Kraemer: “Wann, wenn nicht jetzt bei guter Konjunktur und niedrigen Zinsen, sollte man sonst die Konsolidierung der Staatsfinanzen angehen?”Die deutsche Wirtschaft steht der Ratingagentur zufolge in diesem Umfeld ausgesprochen gut da und sei dabei auch hinreichend robust, um den ein oder anderen Schock zu absorbieren. Auch die enormen Immobilienpreissteigerungen sind nach Angaben von Harm Semder, S & P-Director für Financial Services, noch kein Grund zur Sorge. Gemessen an den Einkommen und Vermietungspreisen bewegten sie sich hierzulande immer noch unterhalb des langfristigen Schnitts. Erst 2018 wäre bei diesem Tempo die langjährige Unterbewertung beendet.Auch für die Banken stellt die Entwicklung nach seinen Worten noch kein Problem dar, weil “bislang keine größere Kreditexpansion” damit verbunden sei. Eher gibt ihm mit Blick auf die Position der Banken die Exportabhängigkeit Deutschlands zu denken, weil “die schiere Anzahl der schwarzen Schwäne einfach zu groß wird”, sagte er mit Verweis etwa auf die US-Handelspolitik.Auch S & P-Chief-Rating-Officer Kraemer hält die Exportabhängigkeit Deutschlands für ein Problem. “Wir sind abhängig davon, dass es anderswo in der Welt gut läuft – und setzen uns damit stärker als andere externen Risiken aus.” Die hohe Sparquote bei vergleichsweise schwacher Binnennachfrage ist nach seiner Einschätzung zwar zum Teil der demografischen Entwicklung geschuldet, allerdings sei es bedenklich, wenn auch die deutschen Unternehmen hierzulande nicht stärker investierten. Zumal selbst die derzeit noch niedrigen Zinsen hätten keinen Investitionsboom bewirkt. Das sollte bedenklich stimmen, weil es langfristig das Wirtschaftswachstum schwächen würde. Kraemer forderte die Politik auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die private Investitionstätigkeit anzukurbeln. Zumal die Finanzkrise gezeigt habe, dass sich manche Forderungen, die man im Ausland habe, “in Luft aufgelöst” hätten. Auch insgesamt habe der hohe Bestand an ausländischen Aktiva eher niedrige Renditen gebracht. Politik und Wirtschaft in Deutschland müssten umdenken.Zumal die Märkte die sich aus der politischen Verunsicherung ergebenden Risiken womöglich nicht richtig widerspiegeln würden. Angesichts der aktuell negativen Korrelation des “Global Policy Uncertainty Index” mit dem Volatilitätsindex Vix ist nach Einschätzung von Kraemer ohnehin Vorsicht angebracht. Der Markt lege beeinflusst durch die ultralockere Geldpolitik der Notenbanken momentan “eine geradezu buddhistische Ruhe” an den Tag.