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Salvini will lieber ein Löwe als ein Schaf sein

Von Gerhard Bläske, Mailand Börsen-Zeitung, 10.8.2019 Gleich vom Adriastrand in Pescara aus hat Matteo Salvini den Wahlkampf gestartet. Solche Auftritte vor begeisterten Anhängern liegen ihm: Ob er als DJ mit Drink in der Hand und nacktem...

Salvini will lieber ein Löwe als ein Schaf sein

Von Gerhard Bläske, MailandGleich vom Adriastrand in Pescara aus hat Matteo Salvini den Wahlkampf gestartet. Solche Auftritte vor begeisterten Anhängern liegen ihm: Ob er als DJ mit Drink in der Hand und nacktem Oberkörper in der Stranddisco die Nationalhymne auflegt oder im Wahlkampf an der Mailänder Piazza Duomo einen Rosenkranz küsst: Der Lega-Chef und bisherige Vizepremier der italienischen Regierung liebt das Bad in der Menge.Vollmundig verkündet der 46-Jährige nach dem Bruch der Regierung, neuer Regierungschef werden zu wollen. Dafür sollen ihm die Italiener bei Neuwahlen ein Mandat geben. Es sieht gut aus für ihn. In Umfragen werden ihm 36 bis 37 % attestiert. Dann könnte er zusammen mit den noch weiter rechts stehenden Fratelli d’Italia wohl regieren und wäre am Ziel seiner Träume.Salvini ist omnipräsent, gibt sich volkstümlich. Seine Botschaft: Ich bin wie ihr. Der Sohn eines Managers und einer Hausfrau, der sein Geschichtsstudium abgebrochen hat, ist geschieden, zeigt sich gern mit seiner neuen Flamme, die deutlich jünger ist als er, gibt sich aber auch als Familienmensch. Seine kleine Tochter und sein Sohn fehlten ihm oft, sagte er jüngst. Dabei verdrückte er sogar eine Träne.Salvini weiß sich zu inszenieren, hauptsächlich über soziale Medien wie Facebook und Twitter, die er mit Hilfe eines hochprofessionellen Kommunikationsteams praktisch rund um die Uhr bespielt. Der gelernte Radioreporter aus Mailand, der seine Karriere mit 20 als Stadtrat begann, tritt meist leger in T-Shirt oder Polohemd auf.Salvini verbreitet dumpfe Botschaften: Schuld an allem sind die Vorgängerregierungen, das Establishment und die EU. Sein Lieblingsfeind ist Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dem er Kolonialismus und Scheinheiligkeit vorwirft, weil er Flüchtlinge an der Grenze zu Italien strikt zurückweist und seit Jahren selbst gegen EU-Defizitregeln verstößt. Nicht nur gegen Macron, auch gegen andere politische Gegner und gegen Journalisten teilt er kräftig aus: Das bekam jüngst ein Journalist der Zeitung “La Repubblica” zu spüren, der sich erdreistete, zu filmen wie der 14-jährige Salvini-Sohn auf einem Polizei-Wassermotorrad mitfuhr. Das hat Salvini genauso wenig geschadet wie die Verwicklung engster Vertrauter in einen Skandal um die Finanzierung der Lega durch Moskau. Im Gegenteil: In Umfragen legt er beständig zu. Er trifft die Stimmung des Volkes, etwa wenn er gegen “Scheißzigeuner” und “kriminelle Immigranten” wettert. Und die hohen Schulden, die katastrophale Infrastruktur und die stagnierende Wirtschaft sind nicht sein Werk. Vorwerfen kann man ihm nach mehr als einem Jahr in der Regierung aber sicherlich, dass er nichts getan hat, um die Lage zu verbessern.Von den separatistischen Wurzeln der damaligen Lega Nord hat sich Salvini längst gelöst. Er hat die Lega zu einer stramm nationalistisch und hierarchisch geführten Partei gemacht, die auch im Süden punktet. Das Sagen hat allein er. Gern zitiert er Ex-Diktator Benito Mussolini: “Viel Feind, viel Ehr” oder “Besser einen Tag als Löwe leben als hundert Jahre als Schaf.”Nun steht er womöglich vor dem größten Triumph seiner Karriere. Herausforderungen warten genug auf ihn. Ein Haushaltsentwurf einer Regierung unter seiner Führung dürfte eine Provokation für die EU-Kommission sein. Viel mehr muss er die Finanzmärkte fürchten. Das Erwachen könnte fürchterlich sein.