NOTIERT IN WASHINGTON

Schadenfrohe Politiker

Was skandalträchtige Politiker angeht, sind die Amerikaner seit Jahrzehnten mit so ziemlich allen Wassern gewaschen. Von Präsident Richard Nixon, der über den Watergate-Skandal stolperte, bis hin zum verurteilten Ex-Gouverneur von Illinois, Rod...

Schadenfrohe Politiker

Was skandalträchtige Politiker angeht, sind die Amerikaner seit Jahrzehnten mit so ziemlich allen Wassern gewaschen. Von Präsident Richard Nixon, der über den Watergate-Skandal stolperte, bis hin zum verurteilten Ex-Gouverneur von Illinois, Rod Blagojevich, der den Senatssitz des damaligen Staatssenators Barack Obama an den Meistbietenden verkaufen wollte. Umso größer ist die Schadenfreude darüber, dass es nun ausnahmsweise der nördliche Nachbar Kanada ist, der mit einem zwielichtigen Bürgermeister zu kämpfen hat, dessen Eskapaden alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen. Dass Rob Ford, Oberhaupt von Toronto, zugibt, Crack geraucht zu haben, im Vollrausch vor laufender Videokamera wüste Morddrohungen aussprach oder bei einer Sitzung des Stadtrats eine Kollegin physisch angriff, müsste schlimm genug sein. Was den 44-Jährigen aber besonders auszeichnet, sind sein beharrliches Leugnen der Realität und die hartnäckige Weigerung, das Amt niederzulegen.Zwar räumt der schwergewichtige Bürgermeister ein, sich schlecht zu ernähren und abnehmen zu wollen. Er sei aber weder Alkoholiker noch Rauschgiftsüchtiger und brauche sich daher auch keiner Behandlung zu unterziehen. Sogar auf die Frage, was er als Regierungschef der fünftgrößten Stadt in Nordamerika täte, wenn er mitten in der Nacht völlig betrunken durch einen Anruf von einem Notfall erfahre, etwa einem Terrorangriff, weiß er eine Antwort: “Wir haben das Glück, das so etwas noch nicht passiert ist.” Von einem Rücktritt, den mittlerweile eine klare Mehrheit der Wähler fordert, will der unverwüstliche Politiker nichts wissen. “Ich denke überhaupt nicht daran.”Deswegen sind seine Kollegen im Stadtrat von Toronto zur Tat geschritten. Sie können ihn zwar nicht abwählen oder zum Rücktritt zwingen, ihn aber faktisch entmachten. Ford, der 2010 ins Amt gewählt wurde, kann dem Stadtrat nicht mehr vorsitzen, hat Personal verloren und verfügt nur noch über einen Bruchteil seines Budgets. Der vor Wut schäumende Politiker sprach von einem “Staatsstreich”. Doch gehen will er nicht, und lachende Dritte sind die amerikanischen Nachbarn. “Er bereitet mir jeden Tag große Freude”, sagte der Talkshow-Moderator Jimmy Kimmel. “Wir brauchen mehr Politiker wie Rob Ford, er macht uns Komikern die Arbeit leicht.” Auch Paul Begala, früher ein enger Berater von US-Präsident Bill Clinton, findet es erfrischend, dass ausnahmsweise kein amerikanischer Politiker am Pranger steht. “Wir haben doch angeblich immer die Verbrecher, während den Kanadiern immer nachgesagt wird, so korrekt und brav zu sein”, sagt Begala. “Endlich sind es mal Amerikas Politiker, die gut lachen haben.” *Während US-Präsident Barack Obama jede Monatsstatistik zum Anlass nimmt, um die fortschreitende Erholung am Arbeitsmarkt zu loben, empfindet eine wachsende Zahl von Amerikanern die Lage ganz anders. Sie werden von Ängsten um den eigenen Job geplagt. Wie aus einer neuen Studie der University of Virginia hervorgeht, haben in den USA 62 % der Beschäftigten die Sorge, dass sie als Folge der nach wie vor eher schwachen Konjunktur ihren Arbeitsplatz verlieren. Sieht man vom Tiefpunkt der Rezession ab, war der Pessimismus zu keiner Zeit so weit verbreitet wie heute. Besonders nervös sind Arbeitnehmer, die weniger als 35 000 Dollar pro Jahr verdienen, während das obere Drittel, Einkommensbezieher mit einem Jahresgehalt über 75 000 Dollar, sich die geringsten Sorgen macht.”Die Zahlen spiegeln die wahre Schwäche des US-Arbeitsmarkts wider”, sagt Heidi Shierholz, Ökonomin beim Economic Policy Institute. “Das gilt insbesondere für Personen mit nur begrenzter Berufsausbildung, die schlecht bezahlte Jobs annehmen müssen.” Experten sehen in Studien wie dieser auch eine hohe Relevanz für den künftigen Kurs der US-Geldpolitik. Schließlich hatte die designierte Notenbankchefin Janet Yellen in ihrer Bestätigungsanhörung signalisiert, dass sie Arbeitslosigkeit nicht als reine Statistik, sondern als sozialen Missstand ansieht, der in der Politik der Fed Berücksichtigung finden muss. Für sie womöglich ein weiterer Grund, an dem akkommodierenden Fed-Kurs weiter festzuhalten.