Scharfe Kritik der Industrie an der Politik
wf Berlin
Die deutsche Industrie hat die politischen Beschlüsse im Kampf gegen den neuen Ausbruch des Coronavirus scharf kritisiert. „Angesichts der katastrophalen Infektionszahlen ist es zu wenig, sich unter den Ländern auf einen Maßnahmenkatalog mit groben Schwellenwerten zu verständigen“, mahnte Industriepräsident Siegfried Russwurm in Berlin. Deutschland benötige ein effizientes Krisenmanagement mit einem bundeseinheitlichen Stufenplan, klaren Maßnahmen sowie detaillierten Kriterien und Schwellenwerten, forderte er. Ein verlässlicher Fahrplan würde es Wirtschaft und Gesellschaft aus Sicht des Industrieverbands BDI ermöglichen, sich gezielt auf die verschärfte Krise vorzubereiten. „Diese Chance haben Bund und Länder mit ihren Beschlüssen einmal mehr vertan“, erklärte Russwurm.
Die Arbeitgebervereinigung BDA begrüßte dagegen die angekündigten Regelungen zur Kurzarbeit und zur Verlängerung der Überbrückungshilfen. Die Politik beweise damit „Verantwortungsbewusstsein und Handlungsfähigkeit in einer schwierigen und ernsten Lage“, erklärte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter in Berlin. „Die geplanten Anpassungen sind gerade angesichts der aktuellen dynamischen Entwicklungen und der notwendigen Planungssicherheit für viele Unternehmen wesentlich.“ Zusammen mit dem Gewerkschaftsbund DGB rufen die Arbeitgeber die Bürger auf, sich impfen zu lassen.
Bundesrat einstimmig
In Berlin hatten am Freitag die Bundesländer einstimmig dem Bundestagsbeschluss mit Anti-Krisen-Maßnahmen vom Donnerstag zugestimmt. Damit unterstützten die unionsgeführten Bundesländer schließlich das Vorgehen in der Länderkammer, obwohl die CDU/CSU im Bundestag zuvor die Gesetzesvorlage des neuen Ampel-Bündnisses aus SPD, Grünen und FDP als zu schwach klassifiziert und abgelehnt hatte. Zum 25. November läuft nun die noch vor der Bundestagswahl vom Parlament festgestellte „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ aus. Sie wurde trotz neuer Spitzenwerte bei den Infektionszahlen mit dem Coronavirus nicht verlängert.
Ersetzt wird die Rechtsgrundlage durch einen bundesweit anwendbarer Katalog für Grundrechtseinschränkungen und Schutzvorkehrungen. Danach dürfen die Behörden Abstandsgebote in der Öffentlichkeit, Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum, Maskenpflicht, die Pflicht zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen, Hygienekonzepte, Auflagen für den Betrieb von Gemeinschaftseinrichtungen wie Hochschulen sowie die Verarbeitung von Kontaktdaten anordnen. Im Einzelfall dürfen Einrichtungen auch geschlossen werden. Die Schutzmaßnahmen sind vorerst bis 19. März befristet. Im öffentlichen Nah- und Fernverkehr und am Arbeitsplatz gilt die 3G-Regelung, nach der die Personen geimpft, genesen oder getestet sein müssen. Auch eine generelle Impfpflicht angesichts der niedrigen Impfquote (siehe Grafik) ist noch nicht ausdiskutiert.
Die Zustimmung der unionsgeführten Bundesländer wurde durch eine Übergangsregelung beflügelt. Danach dürfen von den Ländern beschlossene Maßnahmen bis zum 15. Dezember bestehen bleiben und die Ländern bei konkreter epidemischer Gefahr weitere Anordnungen treffen. Bayern verhängt von Montag an einen Lockdown für Ungeimpfte. In Hotspots gilt dies sogar für alle Bürger. „Wir müssen handeln“, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Nachbar Österreich geht ab Montag in den kompletten Lockdown und verhängt eine Impfpflicht.