DIGITALSTEUER

Scheitern als Chance

Die (fehlende) Besteuerung der großen, multinational agierenden Digitalkonzerne ist ein Ärgernis. Nach Angaben der EU-Kommission kommen Unternehmen mit einem konventionellen Geschäftsmodell zurzeit auf einen effektiven Steuersatz, der mehr als...

Scheitern als Chance

Die (fehlende) Besteuerung der großen, multinational agierenden Digitalkonzerne ist ein Ärgernis. Nach Angaben der EU-Kommission kommen Unternehmen mit einem konventionellen Geschäftsmodell zurzeit auf einen effektiven Steuersatz, der mehr als doppelt so hoch ist wie der von digitalen Firmen. Das Gerechtigkeitsgefühl vieler Bürger wird durch immer neue Aufdeckungen von Gewinnverschiebungen und Steuervermeidungstricks von Google, Amazon & Co. massiv verletzt. Auch angesichts einer vielerorts erodierenden Steuerbasis warnt der französische Finanzminister Bruno Le Maire sogar schon vor einer Gefahr für die Demokratie.Doch trotz alledem: Dass nach eineinhalbjähriger intensiver Diskussion eine Einigung auf eine europäische Digitalsteuer gestern im EU-Finanzministerrat gescheitert ist, kann durchaus auch als gute Nachricht gelesen werden. Denn die Vorlagen, die hierzu in Brüssel, Paris und Berlin erarbeitet worden waren, enthielten Elemente, die zu ganz neuen Problemen im internationalen Steuerwettbewerb hätten führen können.Allen voran ist hier der beabsichtigte Systemwechsel von einer Gewinn- hin zu einer Umsatzbesteuerung zu nennen. Ein solcher Wechsel hätte nicht nur Start-ups getroffen und Unternehmen, die Verluste verbuchen. Auch eine Abgrenzung zur Mehrwertsteuer wäre nicht immer einfach. Vor allem aber wäre die Gefahr groß gewesen, dass ein solcher Wechsel andere Länder dazu ermuntert hätte, ihre Besteuerung ebenfalls nicht mehr auf Grundlage der bisher gültigen Grundsätze zu organisieren. Wie groß wäre wohl das Geschrei in Deutschland, wenn China plötzlich anfangen würde, die im Land erzielten Erlöse der deutschen Automobilkonzerne zu versteuern? Dass Deutschland und auch die EU insgesamt bei einer globalen Neuverteilung von Versteuerungsrechten zu den Verlierern gehören könnten, weiß man nicht nur im Finanzministerium in Berlin.Ja, die aktuelle Besteuerung der Digitalkonzerne ist ein Ärgernis. Und das bisherige Prinzip, wonach Gewinne in Ländern besteuert werden, in denen Konzerne eine physische Betriebsstätte haben, ist überholt und passt nicht mehr zur Digitalwirtschaft des 21. Jahrhunderts, die andere Wertschöpfungsketten hat, in der Daten und Nutzer im Fokus stehen und in der Betriebsstätten virtuell sind. Hier gilt es jetzt aber, auf OECD-Ebene eine Verständigung zu finden. Die Suche nach einer EU-Digitalsteuer mag seit gestern zu Ende sein. Von einer globalen Verständigung dürften die Europäer aber ohnehin mehr profitieren.