Schicksalstag für die Eurozone

Das BVerfG entscheidet am 21. Juni über die Verfassungsmäßigkeit von OMT

Schicksalstag für die Eurozone

Von Stephan Lorz, FrankfurtEs kommt nicht so spektakulär daher wie das Referendum der Briten über ihren Verbleib in der EU (Brexit). Aber wenn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am kommenden Dienstag über das OMT-Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) entscheidet, so hat auch dies genug Sprengkraft, um die Märkte durcheinanderzuwirbeln und die Entwicklung der Eurozone und der EU in eine andere Richtung zu lenken.Dem Urteil liegen Klagen gegen das OMT-Programm der EZB zugrunde. Im Juli 2012 – auf dem Höhepunkt der Eurokrise – kündigte EZB-Chef Mario Draghi an, die Zentralbank werde “alles tun, was auch immer notwendig ist” (“whatever it takes”), um die Eurozone zu retten. Um die Märkte von der Ernsthaftigkeit des Versprechens zu überzeugen, legte die EZB die “Outright Monetary Transactions” (OMT) auf, eine Deckungszusage für die Krisenländer. Seither, kritisieren Ökonomen, ist eine Staatsinsolvenz faktisch ausgeschlossen, eine implizite Solidarhaftung habe Einzug gehalten.Das BVerfG hatte bereits deutlich gemacht, dass das OMT in seinem Verständnis über das Mandat der EZB hinausgeht und gegen das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung verstößt. Die europarechtliche Würdigung wurde dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Der aber stellte der EZB eine Art Persilschein aus. Nun müssen die Karlsruher Richter ihrerseits über die Frage der Verfassungsmäßigkeit mit dem Grundgesetz entscheiden und ob das allein dem Bundestag zustehende Budgetrecht dadurch etwa ausgehöhlt wird. Karlsruhe steckt damit in einer Zwickmühle:1) Hält das BVerfG die Argumentation des EuGH für falsch, gibt es nicht nur eine Kollision zweier Gerichte, sondern stellt auch die Rechtsordnung in Europa insgesamt infrage. Sie wäre schließlich nur noch ein Torso, würden sich alle nationalen Verfassungsgerichte stets das letzte Recht zur Auslegung vorbehalten. Das würde den Bestand der EU gefährden.2) Gehen die Karlsruher Richter auf die EuGH-Argumentation ein, verlieren sie selber an Glaubwürdigkeit. Die Politik würde die Schwächung des Gerichts auszunutzen versuchen. Die Ordnung in der Bundesrepublik wäre nicht mehr die alte.Beobachter rechnen daher mit einem Kompromiss: Das BVerfG könnte dem EuGH zwar im Ergebnis folgen, da OMT bisher noch nie aktiviert worden war, die Argumentation aber zurückweisen und Bedingungen formulieren, unter denen sich die Bundesbank an OMT im Krisenfall beteiligen könnte. Das hätte je nach Formulierung auch Auswirkungen auf das laufende Anleihekaufprogramm QE. Wenn die Richter etwa ihre Zustimmung davon abhängig machen würden, dass die EZB bei ihren Käufen Eingriffe in die Preisbildung am Markt vermeiden muss oder dass das Kaufvolumen zu begrenzen ist, orakelt Commerzbank-Ökonom Michael Schubert, würde es der EZB merklich schwerer fallen, QE nochmals auszuweiten.