DIE EINIGUNG IN BRÜSSEL

Schlaflos in Brüssel

Von Detlef Fechtner, Brüssel Börsen-Zeitung, 14.7.2015 Der Schlafmangel ist vielen anzumerken. Ministern und Regierungschefs, die bei Pressekonferenzen unkonzentrierter als sonst wirken. Ihren Stabsmitarbeitern und Kabinettsmitgliedern, die ohnehin...

Schlaflos in Brüssel

Von Detlef Fechtner, BrüsselDer Schlafmangel ist vielen anzumerken. Ministern und Regierungschefs, die bei Pressekonferenzen unkonzentrierter als sonst wirken. Ihren Stabsmitarbeitern und Kabinettsmitgliedern, die ohnehin bei langen Sitzungen noch schneller müde werden, weil sie sowieso nur zuhören. Aber auch allen, die zum üblichen Gipfelzirkus dazugehören: die Polizisten, die Kellner an den Café-Bars – und natürlich auch die Journalisten.Eine durchwachte Nacht hält jeder munter durch. Aber die Griechenland-Krise hat zuletzt außergewöhnliches Stehvermögen gekostet. Sechs Krisensitzungen der Finanzminister, drei Gipfel – alles binnen weniger Wochen. Und davon nicht wenige ausgerechnet am Wochenende.Weidlich angeschlagen ist deshalb bereits am Samstag mancher ins Lex-Gebäude der EU-Kommission gekommen, um dort in der umgebauten Mensa auf die erlösende Meldung oben aus dem Verhandlungssaal zu warten. Eigentlich, so denken sich die meisten am Samstagnachmittag, sollte es ja schnell gehen. Schließlich hat Premier Alexis Tsipras eine unglaubliche Kehrtwende hingelegt, ist den Gläubigern entgegengekommen, und sogar die Institutionen haben das Angebot generell positiv beurteilt. Dann aber – um halb sieben – dreht die Stimmung im Presseraum. Die Agenturen berichten über ein durchgestochenes Arbeitspapier aus dem Bundesfinanzministerium, das einen “Grexit auf Zeit” als “Plan B” vorsieht – und für den “Plan A” strenge Forderungen wie beispielsweise einen Treuhandfonds für die Privatisierungen verlangt. Nur eine Drohgebärde? “Nebelkerzen”, beschwichtigen einige Euro-Diplomaten, aber man merkt ihnen an, dass sie davon selbst nicht hundertprozentig überzeugt sind.Mitternacht dann die Vertagung auf den nächsten Morgen – die sonst übliche Pressekonferenz von Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem fällt aus. Es wird klar, dass die Kontroversen unter den Ministern wohl doch etwas ernsthafter sind.Sonntags vormittags dann doch wieder mehr Aussichten auf einen Deal. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat die Regierungschefs aus den Nicht-Euro-Staaten für den Gipfel am Nachmittag ausgeladen. Die bräuchte man aber am Tisch, wenn man auf einen Grexit hinarbeiten würde, geben Kollegen zu bedenken. Mittlerweile geht das Gerücht um, dass das Schäuble-Papier am Vortag von der EU-Kommission publik gemacht wurde. Das spricht dafür, dass es Berlin mit dem Grexit vielleicht doch nicht so ernst meint.Die Chefs treffen ein, es wird Abend, es wird Nacht. Kurz vor eins briefen Diplomaten unten im Presseraum, dass es noch drei schwierige Punkte gebe. Das klingt danach, dass man sich um Details kümmert – und das machen Regierungschefs nur, wenn sie glauben, sich bald verständigen zu können. Doch als um drei, vier und fünf Uhr nichts geschieht, gewinnen wieder die Skeptiker die Oberhand – umso mehr, als Tsipras plötzlich grundsätzliche Einwände zu haben scheint.Dann aber wirkt die balsamische Kraft der Müdigkeit. Die Widerstandskraft schwindet gegen sieben, dann geht es auf einmal schnell, und die Regierungschefs wetteifern auf einmal darum, wer am schnellsten den Deal twittert. Gut, dass auch Regierungschefs irgendwann müde werden, das hilft der Kompromissbereitschaft. ——–Gut, dass auch Regierungschefs müde werden, das hilft der Kompromissbereitschaft.——-