Schlechte Zeiten für China-Freunde

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 9.7.2020 Das vom ehemaligen Premierminister David Cameron ausgerufene "Goldene Zeitalter" der britisch-chinesischen Beziehungen ist unerwartet abrupt zu Ende gegangen. Geschichten darüber, wie das...

Schlechte Zeiten für China-Freunde

Von Andreas Hippin, LondonDas vom ehemaligen Premierminister David Cameron ausgerufene “Goldene Zeitalter” der britisch-chinesischen Beziehungen ist unerwartet abrupt zu Ende gegangen. Geschichten darüber, wie das ostasiatische Wirtschaftswunderland Millionen von Menschen den Weg aus der Armut eröffnet hat, sind nicht mehr gefragt. Wer sich für mehr gegenseitigen Handel einsetzt oder versucht, Pekings Sicht der Dinge zu verstehen, wird schnell für einen Komplizen des kommunistischen Regimes gehalten.Ein an ausgewählte Medienvertreter verteilter Bericht mit dem Titel “China’s Elite Capture” führt nun auf 86 Seiten aus, wie sich Peking bemühte, Schlüsselfiguren des britischen Establishments für den Einsatz der Technologie des chinesischen Telekomausrüsters Huawei bei der Modernisierung des britischen Mobilfunknetzes zu gewinnen. Das Ziel dabei sei gewesen, sie zu “nützlichen Idioten” oder “Vollzeitagenten” zu machen. Die chinesischen Behörden hätten entsprechende Anstrengungen mehr als zwei Jahre lang über das Dark Web koordiniert. Neben Phishing-E-Mails und anderen Methoden seien Radiointerviews fingiert worden. Dabei sei den Betroffenen vorgemacht worden, sie nähmen an Interviews mit Sendern aus Hongkong, Indien oder Belgien teil, stets mit dem Ziel, sie zugunsten des chinesischen Unternehmens zu beeinflussen. Zu den Zielpersonen gehörten angeblich Mike Rake, der ehemalige Chairman des Telekomkonzerns BT Group, Kenneth Olisa, der ohnehin dem Board von Huawei UK angehört, und Sarah Wollaston, die ehemalige Vorsitzende des mächtigen Liaison Committee, in dem die Vorsitzenden der ständigen Ausschüsse des Unterhauses versammelt sind.Ziel des Regimes sei es, den Einstieg in die kritische Infrastruktur des Landes zu schaffen – in die Telekommunikation durch den Einsatz von Huawei-Technik, in die Energieversorgung durch den Bau des Atomkraftwerks Hinkley Point C.Zusammengestellt wurde das Dossier mit Hilfe von Christopher Steele. Der ehemalige Mitarbeiter des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6, der nach seinem Ausscheiden mit Christopher Burrows die Firma Orbis Business Intelligence gründete, hatte zuvor bereits die US-Demokraten mit Kompromat über Donald Trump versorgt. Sein Auftraggeber für das Huawei-Dossier war der “Daily Mail” zufolge Andrew Duncan, ein New Yorker Filmproduzent mit Interesse an Menschenrechtsthemen.Der chinesische Botschafter Liu Xiaoming erklärte, es habe keinerlei Einmischung in die internen Angelegenheiten Großbritanniens gegeben. Huawei wies die Vorwürfe entschieden zurück und ordnete sie der “langanhaltenden US-Kampagne” gegen das Unternehmen zu. Vieles war in der Tat nicht neu. So kam das Royal United Services Institute bereits im vergangenen Jahr zu dem Schluss, dass es “naiv” und “verantwortungslos” wäre, Huawei Zugang zum 5G-Netz einzuräumen.Der Streit zwischen Chinagegnern und Chinafreunden beschäftigt mittlerweile auch gut bezahlte Anwälte. Sie versuchen, die Veröffentlichung des Buchs “Hidden Hand” von Clive Hamilton und Mareike Ohlberg über den Londoner 48 Group Club in der nördlichen Hemisphäre zu verhindern. In Australien – Hamilton ist Professor an der Charles Sturt University – liegt es bereits in den Buchläden. Der 48 Group Club beanstandete einzelne Sätze als unwahr oder verleumderisch. Die 650 Mitglieder zählende Vereinigung entstand aus einer Gruppe von 48 Mitgliedern einer Handelsdelegation, die in den 1950er Jahren in die Volksrepublik reiste, um Handelsbeziehungen aufzubauen. Geführt wurde sie von Jack Perry, dem Vater des derzeitigen Chairman. Zu den Größen der britischen Politik, die das Buch mit der Gruppe in Verbindung bringt, gehören Michael Heseltine, einst Verteidigungsminister unter Margaret Thatcher, sowie Tony Blair und Peter Mandelson. Blairs Sprecher sagte, er habe lediglich einmal eine Rede bei einer Veranstaltung der Organisation gehalten. Mandelson wollte sich nicht dazu äußern. Er freue sich, durch seine Rolle als Ehrenpräsident des Great British China Centre das konstruktive Engagement der britischen Regierung mit China unterstützen zu können.——In Großbritannien wird der Streit um die Beziehungen zu China zunehmend persönlich.——