Scholz führt SPD kommissarisch bis Nahles' Wahl

Parteitag soll am 22. April die Fraktionsvorsitzende zur neuen Parteivorsitzenden küren

Scholz führt SPD kommissarisch bis Nahles' Wahl

Reuters Berlin – SPD-Vize Olaf Scholz soll kommissarisch den Vorsitz der Partei übernehmen. Einen entsprechenden Vorschlag des Präsidiums nahm am Dienstag der Bundesvorstand einstimmig an, wie SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil in Berlin mitteilte. Es sei wichtig gewesen, schnelle politische Handlungsfähigkeit herzustellen, erklärte Klingbeil. Der Hamburger Bürgermeister wird auch als Finanzminister im Falle einer Neuauflage der großen Koalition gehandelt. SPD-Chef Martin Schulz erklärte seinen Rücktritt mit sofortiger Wirkung. Fraktionschefin Andrea Nahles soll nun bei einem Sonderparteitag im April als erste Frau in der über 150-jährigen Geschichte der Sozialdemokraten zur Parteivorsitzenden gewählt werden. Werben für Groko-VertragNahles sagte im Anschluss vor der Presse in Berlin, sie freue sich über die breite Unterstützung für sie als künftige Parteivorsitzende. Dies sei ihr Verpflichtung. “Es ist eine Verantwortung für unser Land”, sagt sie. Sie begreife es als große Ehre, Verantwortung für die älteste demokratische Partei Deutschlands zu tragen. Sie werde am Wochenende damit beginnen, für den Koalitionsvertrag zu werben, der sich sehen lassen könne. “Ich werde mich voll reinhängen, damit das auch gelingt”, sagte sie.Das SPD-Präsidium habe Nahles dem Parteivorstand einstimmig vorgeschlagen, teilte Schulz mit. Ihre Wahl solle auf dem für den 22. April geplanten Sonderparteitag in Wiesbaden stattfinden. “Dienende Funktion”Der neue kommissarische SPD-Chef Scholz sieht für sich eine “dienende Funktion”, die mit dem Parteitag im April ende. Er wolle dafür sorgen, dass die Geschäfte der SPD gut vorankämen und nun über den Koalitionsvertrag mit der Union diskutiert würden. Die Sozialdemokraten hätten hier sehr gut verhandelt und ein gutes Ergebnis erzielt.Schulz hatte nach dem Abschluss des Koalitionsvertrags mit der Union vergangene Woche zunächst angekündigt, er wolle nach dem SPD-Mitgliedervotum über eine große Koalition im März den Vorsitz an Nahles abgeben und Außenminister werden. Seine Ambitionen auf das Außenamt gab er jedoch wenige Tage später nach heftigem Druck aus der Partei auf. Daraufhin hatte auch die Personaldebatte eine neue Dynamik erhalten. An den ursprünglichen Plänen, den Vorsitz ohne Beteiligung der Basis direkt kommissarisch an Nahles abzugeben, gab es deutliche Kritik.Der 62-jährige Schulz stand seit März vergangenen Jahres an der Spitze der Partei. Mit dem ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments als Kanzlerkandidat fuhr die Partei bei der Wahl im September ein historisch schlechtes Ergebnis von 20,5 % ein. Schulz sagte, mit der personellen Klärung verbinde er den Wunsch, dass der Blick der Parteimitglieder weg von den Personalien nun auf den Koalitionsvertrag gelenkt werde. Die SPD habe im Rahmen der Verhandlungen mit der Union einen Erfolg errungen, es handele sich um einen guten Koalitionsvertrag. Abschied ohne BitterkeitSchulz sagte, die SPD brauche eine organisatorische, personelle und programmatische Erneuerung. Das Amt sei kräftezehrend, er scheide aber ohne Bitterkeit und ohne Groll aus. In dem einen Jahr habe es Höhen und Tiefen gegeben, manches sei auch unter die Haut gegangen.