Scholz im Kreuzfeuer
Vor Olaf Scholz steht eine ereignisreiche Woche. Nicht nur die Regierungspolitik hält den Bundesfinanzminister und Vizekanzler auf Trab. Seit Scholz Kanzlerkandidat der SPD ist, steigt auf ihn der Druck auch in unangenehmen Fragen. Kaum hatte der Finanzausschuss des Bundestags vergangene Woche versucht, mehr Licht in den Wirecard-Skandal und dessen Verantwortliche zu bringen, wurde bekannt, dass Mitarbeiter der Finanzaufsicht BaFin, einer Behörde unter der Rechts- und Fachaufsicht des Scholz-Ministeriums, besonders gern mit Aktien des Pleite-Dax-Wertes handelten. Obgleich diese Geschäfte bereits einer internen Kontrolle unterliegen, sieht sich Scholz zum Handeln gezwungen und lässt die geltenden Complianceregeln nach dem Wertpapierhandelsgesetz nun überprüfen. Für Mitarbeitergeschäfte dürften beim Handel mit Finanzinstrumenten beaufsichtigter Unternehmen bald strengere Vorschriften gelten.Kaum war dieses Thema vom Tisch, drohte schon Unheil von anderer Seite. Nachdem Scholz sich in seinem früheren Amt als Hamburgs Erster Bürgermeister womöglich häufiger mit Christian Olearius, Eigentümer des Bankhauses Warburg, getroffen hatte als bislang bekannt, werfen ihm die Grünen im Bundestag vor, den Finanzausschuss des hohen Hauses angelogen zu haben. Sie vermuten, Olearius habe bei Scholz erwirkt, dass die Hamburger Finanzbehörde 47 Mill. Euro Steuern aus Cum-ex-Geschäften nicht zurückgefordert hatte. “Wer schweigt, hat etwas zu verbergen”, folgerte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Lisa Paus, daraus. Sie fordert, dass Scholz postwendend in der anstehenden Woche zum dritten Mal in den Finanzausschuss kommt und “diesmal endlich die komplette Wahrheit sagt”. Aus Brüssel sekundiert Parteifreund Sven Giegold und erklärt: “Die Steuerpflicht ist keine Verhandlungssache mit der Politik.” Die “Klüngelpolitik der Groko und ihr Wegschauen bei Regelverstößen” seien kein Merkmal wirtschaftsfreundlicher Politik, sondern schadeten “im großen Stil”. Noch etwas höher hängt die Linke im Bundestag den Fall Warburg. Ihr finanzpolitischer Sprecher, Fabio De Masi, beantragte aus diesem Anlass gleich eine Aktuelle Stunde im Bundestag. In jedem Fall aber haben die Abgeordneten am Mittwoch Gelegenheit, alle Fragen zu stellen, die ihnen am Herzen liegen. In der turnusmäßigen Befragung von Mitgliedern der Bundesregierung ist diesmal die Reihe an Scholz. Anders als im Ausschuss geschieht dies öffentlich.Zum Wochenausklang steht dann ein viel angenehmerer Termin auf der Agenda. Als Gastgeber in der EU-Ratspräsidentschaft empfängt Scholz seine Amtskollegen in der Eurogruppe und zum Informellen Ecofin in Berlin – kurz nachdem er noch am Donnerstagnachmittag die Zahlen der außerordentlichen Steuerschätzung in der Coronakrise bekannt gemacht hat. Da der Konjunktureinbruch nach Einschätzung des Bundeswirtschaftsministeriums schwächer ausfällt als erwartet, dürfte dies auch für die Steuereinnahmen Gutes heißen. In seiner EU-Gastgeberrolle wird Scholz umso entspannter glänzen können.