Scholz will Schweden schnell in der Nato sehen – die Ukraine nicht
Ringen um die Verteidigungsfähigkeit
Vor EU- und Nato-Gipfel: Scholz unterstützt Schweden und wirbt für Asylkompromiss – China bleibt im Fokus
Bundeskanzler Olaf Scholz hat noch einmal an die Türkei appelliert, rasch den Weg Schwedens in die Nato freizumachen. Der Ukraine sichert er in einer Regierungserklärung weiter Unterstützung zu – allerdings ohne Nato-Mitgliedschaft. Die deutsche China-Politik sieht Scholz in eine europäische Strategie eingebettet.
ahe Berlin
Bundeskanzler Olaf Scholz hat eine stärkere Rolle Europas in der Nato gefordert und hat in diesem Zusammenhang auch für eine rasche Aufnahme Schwedens in das Militärbündnis geworben. In einer Regierungserklärung im Bundestag appellierte Scholz an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, den Weg hierfür vor dem Nato-Gipfel in Vilnius am 11. und 12. Juli freizumachen. Er sei “der festen Überzeugung, dass neben Finnland auch Schweden als neuer Verbündeter mit am Gipfeltisch sitzen sollte”, sagte der SPD-Politiker. Dies sei auch schon beim Nato-Gipfel in Madrid im vergangenen Jahr gemeinsam beschlossen worden.
In seiner Rede warb Scholz für eine engere Zusammenarbeit der Europäer in der Sicherheitspolitik. Deutschland gehe etwa bei der Luftverteidigung voran, sagte er. Bei dem von Berlin angestoßenen Projekt European Sky Shield Initiative (ESSI) gebe es Fortschritte, unter anderem durch die Bestellung der Systeme Iris T und Arrow 3 durch Deutschland.
Der Bundeskanzler bekräftigte, dass der Krieg in der Ukraine nicht zu einem Konflikt zwischen Russland und der Nato eskalieren dürfe. Dies werde er auch nicht, zeigte sich Scholz sicher. Ein Beitritt der Ukraine zur Nato kommt für ihn vor einem Ende des russischen Angriffskriegs nicht infrage. Das habe auch die ukrainische Regierung selbst festgestellt, betonte Scholz. “Deshalb werbe ich dafür, dass wir uns in Vilnius auf das konzentrieren, was jetzt absolute Priorität hat: nämlich die tatsächliche Kampfkraft der Ukraine zu stärken.”
Der Ukraine sagte der Kanzler erneut Unterstützung zu, solange dies nötig sei. Er verwies darauf, dass sich die zivile und militärische Hilfe Deutschlands inzwischen auf 16,8 Mrd. Euro summiere und Deutschland damit nach den USA der zweitgrößte Unterstützer des Landes sei. Hilfen kommen jetzt auch noch durch eine Lockerung der Regeln für Exportgarantien im Handel mit der Ukraine.
Weitere Ukraine-Hilfen
Wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilte, soll dies ein Beitrag zur wirtschaftlichen Erholung des Landes sein. Konkret greift bei staatlichen Garantien für Exportkredite ab sofort ein vereinfachtes Verfahren statt einer strengeren Einzelfallprüfung. Banksicherheiten fallen dabei künftig weg, sofern das Risiko noch vertretbar ist. Davon sollten laut Ministerium auch kleine und mittelständische Unternehmen profitieren.
In seiner Regierungserklärung forderte Scholz China erneut auf, auf Russland einzuwirken, damit der Krieg in der Ukraine beendet wird. In Anspielung auf Kritik an einem möglichen deutsch-chinesischen Sonderweg betonte der Kanzler, dass er sich im Vorfeld der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen am Dienstag mit vielen EU-Partnern abgestimmt habe und über die Ergebnisse der Konsultationen auch auf dem EU-Gipfel in der nächsten Woche in Brüssel berichten werde. Die deutsche Politik sei eingebettet in eine gemeinsame EU-China-Politik, stellte Scholz klar.
Von Peking forderte er in seiner Regierungserklärung unter anderem Gewaltverzicht im Südchinesischen Meer und in der Taiwan-Frage. “Alle einseitigen Versuche, den Status quo im Ost- und im Südchinesischen Meer mit Gewalt oder Zwang zu verändern, lehnen wir entschieden ab. Das gilt insbesondere für Taiwan”, sagte Scholz im Bundestag. Dies habe er auch Ministerpräsident Li Qiang bei dessen Berlin-Besuch schon mitgeteilt.
Scholz kündigte an, er werde auf dem anstehenden Europäischen Rat den umstrittenen Asylkompromiss “mit Überzeugung” verteidigen. “Das ist eine historische Einigung, weil sie zeigt, dass die EU ihre Differenzen auch bei den kontroversesten Themen überwinden kann”, erläuterte er. Der Kompromiss sei richtig im Interesse der Einheit und Handlungsfähigkeit Europas. Zudem werde Deutschland durch ein solches neues und faires System entlastet.
Der Kompromiss, der Anfang Juni unter den EU-Staaten gefunden wurde und unter anderem die Einrichtung von streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen an den Außengrenzen der EU vorsieht, war insbesondere bei den Grünen auf Kritik gestoßen.
Scharfe Kritik von Merz
Unionsfraktionschef Friedrich Merz warf Scholz und seiner Regierungskoalition vor, mit anhaltendem Streit in der Ampel die Weiterentwicklung einer gemeinsamen EU-Politik auszubremsen. “Wir könnten in Europa wesentlich weiter sein, wenn es eine geschlossenere Haltung Deutschlands gäbe”, kritisierte der CDU-Vorsitzende. Wenn sich die Bundesregierung permanent über innen-, außen- und europapolitische Fragen streite, “überträgt sich dieser Streit auch auf die Europäische Union”. Deutschland sei schließlich “das geostrategisch wichtigste Land in der Mitte Europas”. Merz verwies unter anderem auf die fehlende Einigkeit beim Mercosur-Handelsabkommen.