Scholz wirbt für CO2-Mindestpreis
wf Venedig
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat beim G20-Treffen der Finanzminister und Notenbankgouverneure für ein international koordiniertes Vorgehen in der Klimapolitik geworben. „Wir verfolgen alle das gleiche Ziel“, sagte Scholz im Kreis seiner Amtskollegen der führenden Industrie- und Schwellenländer in Venedig (G20). Anstatt sich zu bekämpfen, sei es besser, miteinander zu reden, unterstrich der SPD-Kanzlerkandidat. Scholz befürchtet, dass politische Abwehrmaßnahmen in einzelnen Staaten gegen unterschiedlich starke Umweltauflagen gegen den Klimawandel zu einem internationalen Handelskrieg führen können. Die EU arbeitet bereits an einer Grenzausgleichssteuer, um Produktion aus Billigländern ohne Umweltauflagen abzuwehren. Scholz hatte deshalb jüngst einen internationalen „Klimaclub“ angeregt, in dem sich die Mitglieder zu Klimaneutralität mit ambitionierten Zwischenzielen verpflichten, bei der Transformation des Industriesektors kooperieren und an einem gemeinsamen Fahrplan auf dem Weg zu einer vergleichbaren CO2-Bepreisung arbeiten.
Scholz mahnte mit Blick auf den Klimawandel, es bleibe nicht mehr viel Zeit. In ein oder zwei Jahren müssten Lösungen gefunden sein. Auch Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire forderte von der G20 mehr Tempo. Le Maire warb für einen globalen Mindestpreis für den CO2-Ausstoß. Einen einheitlichen Preis für CO2-Emissionen hält er derzeit nicht für durchsetzbar. Scholz sagte, der Klimaclub könne unterschiedlich hohe CO2-Preise koordinieren. Zudem gebe es verschiedene wirksame Ansätze, um Emissionen zu reduzieren – etwa durch Besteuerung. Die verschiedenen Ansätze könnten in einen impliziten CO2-Preis umgerechnet und damit vergleichbar gemacht werden. Dann sei auch ein internationaler Mindestpreis machbar.
Zur G20 gehören auch die USA und China, die sehr stark zum weltweiten CO2-Ausstoß beitragen. Zusammen sind die G20-Länder für rund 80% der CO2-Emissionen verantwortlich. US-Finanzministerin Janet Yellen sagte in Venedig laut Reuters, dagegen müssten jetzt konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Es gebe aber Alternativen zu einem CO2-Preis, der in Deutschland dieses Jahr eingeführt wurde und momentan bei 25 Euro pro Tonne liegt. Über die Jahre soll er ansteigen. Yellen sagte, um bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu werden, seien im G20-Kreis erhebliche staatliche und private Investitionen nötig.
Geld für die Ärmsten
Weitere tragende Themen auf der Agenda der Minister waren die internationale Impfkampagne, um das Coronavirus auch in den ärmsten Ländern der Welt zu bekämpfen, sowie die Steuerpolitik. Ergänzend zum Schuldenmoratorium für die ärmsten Länder, das noch bis zum Jahresende läuft, geht es nun auch um Umschuldungen. Erste Verhandlungen laufen mit dem Tschad. Der Internationale Währungsfonds (IWF) kann auf eine Stärkung seiner Reserven um 650 Mrd. Dollar in Form von Sonderziehungsrechten bauen (siehe nebenstehender Bericht). Dies ist ein deutliches Zeichen in der internationalen Krisenbewältigung. Bei der letzten Erhöhung 2009 waren die Reserven nur um 250 Mrd. Dollar aufgestockt worden.
In einem für das G20-Treffen vorbereiteten Bericht riefen der IWF, die Weltbank und die Zentralbank der Zentralbanken BIZ die Währungshüter rund um den Globus zur Kooperationen bei digitalen Zentralbank-Währungen auf. Derartiges Digitalgeld habe grenzüberschreitende Auswirkungen selbst dann, wenn es nur für den Gebrauch in der heimischen Wirtschaft gedacht sei, erklärte IWF-Finanzexperte Tobias Adrian laut dpa-afx.
Bereits vor dem G20-Treffen zeichnete sich ab, dass die Minister die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung und eine effektive Besteuerung großer Digitalunternehmen und anderer besonders profitabler multinationaler Konzerne unterstützen werden. Scholz zeigte sich „sehr froh“, dass es gelungen sei, eine internationale Mindestbesteuerung zu vereinbaren. „Wir sind jetzt quasi am Ziel“, konstatierte er mit Blick auf das Treffen in Venedig. Zuvor hatten sich bereits die Industrieländer (G7) und 131 Staaten, die in den von der OECD koordinierten Prozess eingebunden sind, zu dem Vorhaben bekannt. Scholz betonte, die Mindeststeuer sei sehr gut ausverhandelt. Es sei darauf geachtet worden, nicht in die Substanz einzugreifen.
Die deutsche Industrie forderte, dass sich der Mindeststeuersatz an den von den USA ins Spiel gebrachten 15% orientiere. Für einen faireren globalen Steuerwettbewerb brauche es dringend ein gemeinsames internationales Vorgehen, verlangte der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI, Joachim Lang. „Unternehmen sind auf dauerhafte Rechtssicherheit und möglichst wenig Bürokratie angewiesen.“ Lang wandte sich gegen eine mögliche Absenkung der Umsatzschwelle von 20 auf 10 Mrd. Euro. Dies betrifft die Neuverteilung von Besteuerungsrechten. Deutlich mehr deutsche Unternehmen wären davon betroffen.