Schuldenpoker lähmt Griechenland

EU-Kommission erwartet 2015 so gut wie kein Wachstum mehr - Neue Debatte über Schuldenschnitt

Schuldenpoker lähmt Griechenland

Trotz Fortschritten ziehen sich die Verhandlungen zwischen Athen und den EU-Geldgebern hin. Das belastet zunehmend die Wirtschaft – was wiederum die Finanzlage verschlechtert.rh Brüssel – Der anhaltende Schuldenpoker untergräbt die wirtschaftliche Erholung Griechenlands. Die EU-Kommission hat in ihrer gestern vorgelegten Frühjahrsprognose die Erwartungen für Griechenland deutlich zurückgenommen. Ging sie im Februar noch von einem Plus des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2,5 % in diesem und 3,6 % im nächsten Jahr aus, erwartet sie nun selbst unter der Annahme einer Einigung mit den Geldgebern nur 0,5 % und 2,9 %. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici begründete dies mit der anhaltenden Unsicherheit.Die Verhandlungen der griechischen Behörden mit Experten der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in der “Brussels Group” sind zwar in jüngster Zeit etwas vorangekommen. Dass noch rechtzeitig vor der nächsten Sitzung der Euro-Finanzminister am Montag eine umfassende Einigung über ein Reformpakt als Voraussetzung für die Freigabe weiterer Hilfsgelder zustande kommt, galt aber gestern als unwahrscheinlich.Mit der Wirtschaftslage haben sich auch die Aussichten für die öffentlichen Finanzen verschlechtert. Hatte die EU-Kommission im Februar für 2015 noch einen Überschuss im griechischen Staatshaushalt von 1,1 % des BIP prognostiziert, erwartet sie nun ohne zusätzliche Maßnahmen einen Fehlbetrag von 2,1 % und einen Anstieg der Staatsverschuldung auf 180 % statt 170 % des BIP. Den Primärüberschuss (Haushaltssaldo vor Schuldzinsen) setzt die Prognose bei 2,1 % des BIP an, was aber nach Angaben aus Euro-Kreisen wohl zu optimistisch ist. Der IWF soll laut “Financial Times” (FT) gar davon ausgehen, dass ohne zusätzliche Maßnahmen kein Primärüberschuss, sondern ein Defizit von 1,5 % des BIP drohe.Solche Daten sind entscheidend für die Schuldentragfähigkeit. Sie wurde im Rahmen des Hilfsprogramms dahingehend definiert, dass die Schuldenquote bis 2020 auf 124 % des BIP und bis 2022 auf deutlich unter 110 % zu reduzieren sei. Je schlechter das laufende Jahr ausfällt, desto schwieriger wird die Erreichung dieser Ziele.Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dementierte eine Aussage im “FT”-Bericht, wonach der IWF die Europäer gedrängt habe, Griechenland einen Teil seiner Schulden zu erlassen. Der IWF selbst erklärte, er habe keinen “großen Schuldenerlass” gefordert. Allerdings würde die Notwendigkeit zu “weiteren Finanzhilfen und Schuldenerleichterungen” in dem Maße wachsen, in dem die Zielwerte verfehlt werden.Einen Schuldenschnitt haben Euro-Vertreter immer wieder abgelehnt. Allerdings hat die Eurogruppe schon 2012 zugesagt, unter bestimmten Bedingungen gewisse Erleichterungen etwa in Form einer weiteren Verlängerung der Laufzeiten ausstehender Hilfskredite zu prüfen. Doch Moscovici betonte, über die Schulden werde man erst nach einer Einigung über das Reformpaket reden können.Richtig ist laut Verhandlungskreisen, dass der IWF bei den Treffen der “Brussels Group” eine besonders harte Haltung gegenüber Athen einnimmt. Parallel zu den Gesprächen hat der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis gestern Moscovici und den französischen Finanzminister Michel Sapin besucht, während Vize-Ministerpräsident Giannis Dragasakis EZB-Chef Mario Draghi in Frankfurt aufsuchte.