Fiskalpolitik

Schuldenregeln kein Hindernis für Investitionen

Eine neue Studie heizt die Debatte über die Reform der EU-Fiskalregeln an. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die EU-Fiskalregeln die Investitionsmöglichkeiten der Staaten nicht grundsätzlich einschränken – und haben dennoch Verbesserungsvorschläge.

Schuldenregeln kein Hindernis für Investitionen

Schuldenregeln kein Hindernis für Investitionen

Neue Studie befeuert Debatte über Reform der EU-Fiskalregeln – „Ausgestaltung entscheidend“

ms Frankfurt

Die EU-Fiskalregeln schränken die Investitionsmöglichkeiten der Euro-Staaten nicht grundsätzlich ein – wie überhaupt Schuldenregeln kein generelles Hindernis für öffentliche Investitionen sind. Zu dieser Einschätzung kommen Forschende des Münchener Ifo-Instituts für Econpol Europe in einer am Mittwoch veröffentlichten Analyse. Gleichwohl schlagen die Experten eine Reform der EU-Vorgaben vor, die die Investitionsanreize verbessert und zugleich weiterhin die Schulden begrenzt. Von zentraler Bedeutung sei es dabei, klar zu definieren, was als öffentliche Investition gilt.

Kontroverse Diskussion

Auf EU-Ebene wird derzeit kontrovers über eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts verhandelt. Vorschläge der EU-Kommission gelten vielen Beobachtern als Aufweichung des Stabilitätspakts. Die Brüsseler Behörde argumentiert, die aktuellen Vorgaben hätten negativen Einfluss auf staatliche Investitionen. Kern der Pläne sind künftig individuell ausgehandelte Abbaupfade für EU-Staaten mit zu hohen Haushaltsdefiziten und Schuldenständen – statt bislang pauschaler Vorgaben. Vor allem Italien und Frankreich pochen auf mehr Flexibilität, um Investitionen nicht einschränken zu müssen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat dagegen wiederholt öffentlich kritisiert, die Kommissionsvorschläge würden nicht verlässlich genug dazu führen, Schulden zurückzufahren. Es brauche konkrete Vorgaben beim Abbau und zusätzliche Absicherungen für einen regelmäßigen Rückgang von Defiziten sowie für Schuldenstände. Am Freitag beraten die EU-Finanzminister bei ihrem Treffen in Luxemburg erneut über das Thema.

Die Autoren der neuen Studie haben nun in ihren Analysen 20 empirische Studien ausgewertet, die die Wirkung von Fiskalregeln auf öffentliche Investitionen oder deren Teilkomponenten untersuchen. Das zentrale Ergebnis: Schulden- und Fiskalregeln führen grundsätzlich nicht dazu, dass Staaten weniger investieren. In Zeiten hoher Investitionsbedarfe, insbesondere für die Digitalisierung oder zur Förderung der Energiewende und klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft, wird oftmals kritisiert, Fiskalregeln würden die notwendigen öffentlichen Investitionen bremsen.

„Wie Schulden- und Fiskalregeln wirken, hängt von der Ausgestaltung ab“, sagte Sebastian Blesse, Koautor der Studie: „Sind sie zu starr, erlauben sie der Politik nicht, die Konjunktur in wirtschaftlichen Krisen zu stützen. Das kann dann öffentliche Investitionen durchaus beeinträchtigen. Im Gegensatz dazu können flexible Regeln die öffentlichen Investitionen positiv beeinflussen, was je nach Ausgestaltung aber zu höheren Schulden führen kann.“

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Fiskalregeln, wie zum Beispiel die Maastricht-Kriterien der EU, kein grundlegendes Hemmnis für öffentliche Investitionen darstellen“, sagte auch Florian Dorn, Koautor der Studie. Auch die Autoren sehen die aktuellen EU-Vorschläge als eine Aufweichung der Regeln, die ohnehin immer wieder gebrochen worden seien, ohne dass dies spürbare Konsequenzen gehabt hätte. Die europäischen Schuldenregeln sind seit 2020 zunächst wegen der Corona-Pandemie und später wegen der Folgen des Krieges in der Ukraine ausgesetzt, sollen aber ab 2024 wieder greifen.

Reformvorschläge

Die Studienautoren schlagen nun eine Reform der EU-Fiskalregeln vor, die Investitionsanreize verbessert und weiterhin die Schulden begrenzt. Schuldenfinanzierte Ausgaben müssten sich auf Nettoinvestitionen beschränken. Alle anderen Staatsausgaben müssten durch entsprechende Einnahmen im Staatshaushalt gedeckelt sein. Die Autoren betonen: Es sei wichtig, klar zu definieren, was als öffentliche Investition zählt. „Dies soll das Risiko verringern, dass die EU-Mitgliedsländer die Regeln umgehen, indem sie beispielsweise Sozial- oder Transferleistungen als öffentliche Investition uminterpretieren.“ In Zeiten von Wirtschaftskrisen sollen jedoch auch weiterhin schuldenfinanzierte Stützungsmaßnahmen möglich sein, die nicht unter den Investitionsbegriff fallen.

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