IM BLICKFELD

Schwarzer Peter im Kampf gegen Steuerbetrug

Von Carsten Steevens, London Börsen-Zeitung, 17.4.2013 Die Aufregung um Steueroasen ist groß, seit das internationale Journalistennetzwerk ICIJ Anfang April nach Informationen durch anonyme Quellen einen riesigen Datensatz mit Dokumenten und Namen...

Schwarzer Peter im Kampf gegen Steuerbetrug

Von Carsten Steevens, London Die Aufregung um Steueroasen ist groß, seit das internationale Journalistennetzwerk ICIJ Anfang April nach Informationen durch anonyme Quellen einen riesigen Datensatz mit Dokumenten und Namen von Politikern, Unternehmern und vermögenden Familien aus aller Welt veröffentlicht hat. Seitdem häufen sich international – wieder einmal – Forderungen nach einem entschlossenen Vorgehen und Kooperationen gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung und damit auch gegen den Missbrauch von Offshore-Jurisdiktionen. Um Steuerschlupflöcher zu schließen, wollen die Finanzminister der EU im Mai die seit Jahren blockierte Verschärfung des Zinssteuergesetzes auf den Weg bringen. Zudem liegt den Ministern ein Gesetz zur besseren Amtshilfe der Staaten in Steuerangelegenheiten vor. Mit der Annahme würde die EU mit der US-Gesetzgebung zur Bekämpfung von Steuerflucht (Foreign Account Tax Compliance Act, Fatca) auf Augenhöhe kommen.Das wäre ein Fortschritt, schließlich geht es für die von Konjunkturflaute und Haushaltslöchern gebeutelten EU-Staaten um etwas: Den öffentlichen Kassen würden durch Steuerhinterziehung jährlich 1 Bill. Euro entgehen, so EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta. Fraglich ist jedoch, wie weit der neue Schwung in der europäischen Debatte reichen wird angesichts “sehr dicker Bretter”, die laut Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zu bohren sind.Nach der Ankündigung Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und Spaniens vom 9. April, ein Pilotprojekt über einen erweiterten Informationsaustausch zu starten, das nicht nur der Aufdeckung und Abschreckung von Steuerhinterziehern, sondern auch als Vorlage für ein umfassenderes multilaterales Abkommen dienen soll, gab zwar Luxemburg am vorigen Mittwoch seinen Widerstand gegen den automatischen Informationsaustausch über Zinszahlungen an Ausländer innerhalb der EU zum 1. Januar 2015 auf. Doch Österreich bremst im Ringen um sein Bankgeheimnis nach wie vor – und ist nicht bereit, den Schwarzen Peter anzunehmen.Dabei ist nachvollziehbar, wenn die nun bedrängte Finanzministerin Maria Fekter beklagt, Österreich stehe am Pranger, Großbritannien mit seinen unmittelbar mit der Krone verbundenen Gebieten (die Kanalinseln Jersey und Guernsey, die Insel Man in der Irischen See) sowie mit Überseeterritorien wie den karibischen Kaiman- oder den Jungferninseln aber nicht. Für diese fordert Fekter ein Stiftungsregister. Wie in Zypern müsse Großbritannien anonyme Stiftungen (Trusts) abschaffen. “Wir wollen, dass die Möglichkeiten in Großbritannien, ein Geldwäscheparadies und ein Steuerparadies zu sein, abgeschafft werden.” Allerdings: Die britisch beeinflussten Offshore-Zentren gehören staatsrechtlich weder zu Großbritannien noch zur EU.Nach einem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Großbritanniens Premierminister David Cameron am Wochenende hieß es am Sitz des britischen Regierungschefs in London, die Gruppe der reichsten Industrieländer (G 8) müsse im Kampf gegen Steuerhinterziehung und aggressive Steuervermeidung mit konkreten Maßnahmen eine “globale Führungsrolle” übernehmen. Es müsse klar sein, dass “alle ihren fairen Anteil an Steuern zahlen müssen”.Solche Aussagen sind heikel für Cameron, der wegen der Präsidentschaft Großbritanniens im Juni Gastgeber eines G 8-Gipfels sein wird. Zum einen stellen selbst britische Politiker aus der amtierenden Koalition wie der Liberaldemokrat Matthew Oakeshott fest, die vom Internationalen Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) ausgelöste “Offshore Leaks”-Affäre sei ein “Schandfleck” für Großbritannien, da die Jungferninseln britisches Überseegebiet sind. Dort hätten Hunderttausende geheimer Briefkastenfirmen ihren Sitz, die es Anlegern ermöglichten, Vermögen zu verbergen.Zum anderen wird dem britischen Regierungschef Scheinheiligkeit vorgeworfen, da er sich weigere, das Geheimhaltungssystem der Britischen Jungferninseln zu reformieren. Auch stelle Cameron sich gegen Änderungen des britischen Landbesitzsystems, das den heimlichen Besitz einer Immobilie in London erlaube, so David Leigh, Redakteur der Londoner Tageszeitung “Guardian” und ICIJ-Mitglied, gegenüber der Deutschen Welle. Dies sei der Grund dafür, dass “Oligarchen und Plünderer aus Entwicklungsländern” nach Großbritannien kämen, um ihr Geld unter dem Deckmantel der Offshore-Firmen in Grundbesitz anzulegen.Weil auf diesem Wege stetig neues Kapital nach London fließt, geht die Finanzlobby in der City gegen alle ernsthafteren Bestrebungen britischer Regierungen vor, am System der Offshore-Zentren zu rütteln, wie Beobachter feststellen. Eine vom Finanzminister der Vorgängerregierung in Auftrag gegebene Studie mahnte im Oktober 2009, britische Offshore-Zentren müssten beim Austausch von Steuerinformationen, bei der Finanzregulierung und bei Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismus internationale Standards erfüllen. Weitere Untersuchungen auf Regierungsebene blieben aus. Eine aktuelle Finanzplatzstudie des britischen Analyseinstituts Z/Yen bescheinigte Offshore-Zentren wie Jersey und Guernsey nun, sich von den Reputationsschäden der Jahre 2008 und 2009 gut erholt zu haben.