NOTIERT IN BRÜSSEL

Schweine am Steuer und andere Urlaubsgeschichten

In Brüssel hat sich der Schleier der obligatorischen August-Ferien mittlerweile wieder über die EU-Institutionen gelegt. Parlamentarier und Kommissare sind in den Sommerurlaub abgetaucht. Das politische Tagesgeschäft ist auf ein Mindestmaß...

Schweine am Steuer und andere Urlaubsgeschichten

In Brüssel hat sich der Schleier der obligatorischen August-Ferien mittlerweile wieder über die EU-Institutionen gelegt. Parlamentarier und Kommissare sind in den Sommerurlaub abgetaucht. Das politische Tagesgeschäft ist auf ein Mindestmaß heruntergefahren. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte zwar noch ein paar Tage länger in seinem Büro im Berlaymont ausgehalten und schon über seine Rede zur Lage der EU meditiert, die er im September vor den Europaabgeordneten halten will. Aber auch Juncker war – wie auch vielen anderen in Brüssel – deutlich anzumerken, dass er in diesem Jahr die Sommerauszeit so dringend benötigt wie selten zuvor. *Was waren das auch für aufreibende Monate gewesen: Die Brexit-Entscheidung hat Europa im Kern erschüttert. Dazu kamen die Flüchtlingskrise, eine Verfassungskrise in Polen, eine Bankenkrise in Italien, die Demokratiekrise im EU-Anwärterland Türkei. Und natürlich die Terrorattacken in Frankreich, Deutschland und anderen Staaten.In Belgien liegen mittlerweile erste Zahlen auf dem Tisch, was der Terroranschlag im März in Brüssel neben der allgemeinen gesellschaftlichen Verunsicherung noch für Folgen hatte: Einer Studie der Regierung zufolge summieren sich die wirtschaftlichen Schäden bislang schon auf 1 Mrd. Euro. Besonders betroffen war das Hotel- und Gaststättengewerbe. Allein in Brüssel sind im Juli ein Viertel weniger Touristen gezählt worden als noch im Vorjahr. Vor allem aus dem Ausland kommen weniger Gäste. Die Hotels registrieren fast ein Drittel weniger Besucher, der belgische Staat weniger Steuereinnahmen. *Nur raus aus Brüssel, lautet aktuell das Motto. Zum Glück hat der Flughafen Zaventem die Lage nach den Attacken im März wieder im Griff und kann den Urlauberansturm auch bewältigen. Die belgische Bahn vermeldete zuletzt Rekordbuchungen in Richtung der seltsam verbauten Orte an der Nordseeküste zwischen Ostende und Knokke. Und die Autobahnen aus der Stadt waren zu Urlaubsbeginn ohnehin verstopft wie eh und je. *Für einen diplomatischen Eklat hatte zu Ferienbeginn die wallonische Straßenmeisterei gesorgt. Sie hatte auf großen Plakaten entlang der Autobahnen im Süden Belgiens für saubere Parkplätze geworben. Motto: “Rastplätze sind kein Schweinestall.” Auf den Plakaten sieht man ein Schwein am Steuer eines Autos, das einen Müllsack aus dem Fenster wirft. Genauer gesagt: Das Schwein sitzt am Steuer eines Fiat 500 – und das hat dann gleich zu Spannungen zwischen Italien und der Wallonie geführt. Der italienische Botschafter kritisierte die Aktion als “völlig geschmacklos”. Weder das Lebensgefühl Italiens noch das wohl bekannteste Auto des Landes sollten mit Müll und Schweinen in Verbindung gebracht werden. Auch der Autobauer Fiat hat offiziell Protest eingelegt. Mit Erfolg: Die Schweine-Plakate sind mittlerweile wieder abgehängt. *Das diplomatische Eis ist halt auch im Sommer dünn. Es ist gut, wenn jetzt im Urlaub erst einmal neue Kraft und Gelassenheit getankt werden, um die anstehenden Herausforderungen anzugehen. Auf EU-Ebene zumindest stehen ja auch in den nächsten Monaten wieder reichlich Themen im Fokus: ein Verfassungsreferendum in Italien, ein Flüchtlingsreferendum in Ungarn, Präsidentschaftsneuwahlen in Österreich, die anstehenden Brexit-Verhandlungen mit London.Die Beziehungen zwischen Brüssel und dem Rheinland sind dagegen wunderbar: Noch schnell vor dem Urlaub setzten EU-Beamte jetzt die geräucherte Blutwurst “Flönz” auf die Liste der geografisch besonders geschützten Lebensmittel. “Flönz” sei ein wichtiger Bestandteil des rheinischen Karnevals und der traditionellen Gerichte “Kölsch Kaviar” und “Himmel und Äd”, begründete dies die EU-Kommission. Zutaten der Blutwurst sind Schwarten, Schweinefleisch und Schweineblut. Mit der wallonischen Straßenmeisterei hat das alles aber nichts zu tun.