Schweiz setzt geldpolitischen Kurs unverändert fort

Wachstumsprognose erhöht - Erholung auf dem Arbeitsmarkt erwartet - Franken "deutlich überbewertet"

Schweiz setzt geldpolitischen Kurs unverändert fort

dz Zürich – Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat anlässlich ihrer vierteljährlichen geldpolitischen Lagebeurteilung die unveränderte Fortsetzung des bisherigen Kurses beschlossen. Die Geschäftsbanken bezahlen auf ihre beim Noteninstitut liegenden Sichteinlagen weiterhin einen Strafzins von 0,75 %. Dementsprechend wird auch das Zielband für den unbesicherten Dreimonatsfranken im Londoner Interbankenmarkt (Libor) bei – 1,25 % bis – 0,25 % belassen.An den Finanzmärkten war die Entscheidung der Frankenhüter erwartet worden. Auffällige Reaktionen am Devisenmarkt blieben aus. Ein Euro kostete gestern im Handel etwas mehr als 1,09 sfr, was in etwa dem Kursniveau von Anfang des Jahres entspricht. Die Notenbank begründet ihre extrem expansive Geldpolitik seit Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Januar 2015 mit dem Argument, der Franken sei “deutlich überbewertet”. An dieser Sprachregelung hat sich auch gestern nichts geändert. Die SNB versucht den Franken zu schwächen, indem sie die Zinsdifferenz zum Euro mindestens nicht kleiner werden lässt. Seitdem auch die EZB zu einer Politik der Negativzinsen übergegangen ist und zudem über umfangreiche Anleihenkäufe (Quantitative Easing, QE) das Zinsniveau beeinflusst, sind die Schweizer Währungshüter besonders stark gefordert. Das Land lebt mit dem weltweit höchsten Negativzins,dieser bekommt vor allem der Finanzbranche und den Altersvorsorgewerken alles andere als gut.Doch immerhin scheint sich die aggressive Wechselkurspolitik stabilisierend auf die Wirtschaft auszuwirken. Nach einem überraschend wachstumsstarken ersten Halbjahr hat die SNB ihre Wachstumsprognose für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im laufenden Jahr von bisher 1 % bis 1,5 % auf “rund 1,5 %” erhöht. Allerdings räumt die Notenbank ein, dass die Produktionskapazitäten insgesamt “unbefriedigend” ausgelastet sind und die Erholung nicht alle Branchen im gleichen Maß erfasst hat.In der Tat erfreut sich vor allem die Pharmaindustrie einer äußerst robusten Konjunktur. Diese trägt zwar viel zum BIP und zur Exportleistung des Landes bei, aber sie beschäftigt relativ wenig Personal. Mit etwa 320 000 Leuten arbeiten rund achtmal mehr Personen in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (Mem), die ebenfalls zu den Exportmotoren der Schweizer Wirtschaft gehört, aber stark unter den wechselkursbedingt gedrückten Margen leidet.Auch in der Mem-Branche sehen einige Unternehmen seit kürzerem wieder eine stärkere Dynamik beim Auftragseingang, was erklären dürfte, weshalb die SNB allmählich auch mit einer Erholung auf dem Arbeitsmarkt rechnet.Die schädlichen Nebenwirkungen der aktuellen Notenbankpolitik bleiben derweil aber bestehen. Die Devisenexperten der UBS rechnen, dass eine Normalisierung der Zinsen erst gegen Ende 2017 einsetzen kann. Voraussetzung dafür sei, dass die Europäische Zentralbank das Anleihenkaufprogramm beende. Doch es wird erwartet, dass EZB-Präsident Mario Draghi dieses über das geplante Enddatum März 2017 hinaus weiter laufen lassen wird.Als Begleiterscheinung des Negativzinses bleibt vorerst auch die negative Teuerungsrate bestehen, die gemäß der SNB-Prognose 2016 bei – 0,4 % und 2017 bei 0,2 % zu liegen kommen wird. Wie die Bilanz des SNB-Regimes aussehen wird, lässt sich erst in einigen Jahren schlüssig beantworten. Im Urteil vieler Experten befördert sie den Strukturwandel der Wirtschaft.