Schwere Schlappe für May
Die britische Premierministerin Theresa May hat den Befürwortern eines klaren Schnitts mit der EU schmerzhafte Zugeständnisse gemacht, um Abstimmungsniederlagen im Unterhaus zu vermeiden. Unterdessen meldete sich ihr Rivale Boris Johnson mit einem flammenden Plädoyer für “Global Britain” zurück. hip London – Die britische Premierministerin Theresa May hat alle von der EU-feindlichen European Research Group (ERG) vorgelegten Änderungsvorschläge zum neuen Zollrecht übernommen. Sie seien “konsistent” mit dem Weißbuch der Regierung zu den künftigen Beziehungen mit der Staatengemeinschaft, sagte ein Sprecher Mays. Dabei könnte eine der Änderungen dafür sorgen, dass Großbritannien nicht wie im Weißbuch vorgesehen Einfuhrzölle im Namen der EU erheben und an sie weiterreichen kann. Das von May angestrebte “erleichterte Zollarrangement” (Facilitated Customs Arrangement, FCA) wäre nur möglich, wenn sich die EU ihrerseits dazu bereiterklären würde, Zölle auf Güter zu erheben, die für Großbritannien bestimmt sind. “Weiße Fahne””Das Weißbuch ist kein Weißbuch, es ist eine weiße Fahne”, sagte die ehemalige Entwicklungsministerin Priti Patel, von der die besagte Änderung eingebracht worden war. Sie wollte damit nach ihren eigenen Worten verhindern, dass Großbritannien zum Steuereintreiber der EU wird. Auch die von Brüssel geforderte Notfalloption, mit der eine harte Grenze in Nordirland dadurch verhindert werden soll, dass die Region einfach in der Zollunion bleibt, könnte durch einen der Änderungsvorschläge unmöglich gemacht werden. Jacob Rees-Mogg, der die ERG anführt, wollte nämlich sicherstellen, dass Nordirland genauso behandelt wird wie der Rest des Vereinigten Königreichs und auf keinen Fall zu einem separaten Zollgebiet wird. Eine neue Zollunion mit der EU darf künftig nur auf Beschluss des Parlaments in Kraft treten, nicht durch sekundäre Gesetzgebung. Zudem soll klargestellt werden, dass Großbritannien nicht an der Umsatzsteuerharmonisierung teilnehmen wird. Vorangegangen war eine beispiellose Rebellion von EU-Gegnern in der konservativen Partei. Steve Baker, der als Stellvertreter des für den Brexit zuständigen Staatssekretärs David Davis ebenfalls zurückgetreten war, richtete eine Whatsapp-Gruppe ein, um ihr Abstimmungsverhalten koordinieren zu können. Angeblich sollen sich ihr mehr als 100 Abgeordnete der Tories angeschlossen haben. Damit blieb May keine andere Wahl, als nachzugeben. Für eine Mehrheit im Unterhaus ist sie auf die zehn Mandate der nordirischen Unionisten angewiesen. Angesichts der großen innerparteilichen Opposition hätte May auf Labour hoffen müssen. Dort hatte man aber kein Interesse daran, sie im Amt zu halten.Boris Johnson, der als Außenminister kurz nach dem Kompromiss von Chequers zurückgetreten war, meldete sich unterdessen mit einem flammenden Plädoyer für ein “Global Britain” zurück. Er nahm dazu seine Kolumne für den “Daily Telegraph” wieder auf, die er bei seinem Eintritt in die Regierung vor zwei Jahren ausgesetzt hatte. In der Downing Street befürchtet man, dass er am Mittwoch nach der Fragestunde der Premierministerin im Unterhaus eine vernichtende Rücktrittsrede halten könnte. Es gibt dafür einen Präzedenzfall: Die Rede von Margaret Thatchers Außenminister Geoffrey Howe im Jahr 1990 gilt als wesentlicher Beitrag zum Sturz der “Eisernen Lady”. Wie die “Daily Mail” unter Berufung auf das Umfeld des ehemaligen Londoner Bürgermeisters berichtet, fühlt er sich von May hereingelegt. Er strahle “kalte Wut” aus.Die Zuwanderung ging derweil dem Statistikamt ONS zufolge netto auf den niedrigsten Stand seit 2013 zurück. Brexit-Befürworter hatten vor dem EU-Referendum mit dem unkontrollierbaren Zustrom aus den Armutsregionen Südosteuropas argumentiert. Das nationale Institut für Sozial- und Wirtschaftsforschung (NIESR) nennt als Gründe für den Rückgang die Abwertung des Pfund, das stärkere Wachstum in den Herkunftsländern und die größere Attraktivität Deutschlands als alternatives Zielland.