Schwierige Suche nach mehr Steuergerechtigkeit

EU-Digitalsteuer gescheitert - Fortschritt bei Finanztransaktionssteuer - Steueroasen-Liste wird länger

Schwierige Suche nach mehr Steuergerechtigkeit

ahe Brüssel – Nach rund eineinhalb Jahren Beratungen auf europäischer Ebene ist die Einführung einer EU-Digitalsteuer für Unternehmen wie Facebook, Google & Co. vorerst gescheitert. Bei einem gestrigen Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel gab es keine Einigung für eine von Deutschland und Frankreich gemeinsam vorgeschlagene Vorgehensweise. Einige wenige Länder blieben bei ihren grundsätzlichen Bedenken und forderten eine Verständigung auf Ebene der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).Zur Debatte stand gestern eine Umsatzsteuer von 3 % auf Online-Werbeerlöse, die ab Januar 2021 gelten solle. Voraussetzung dafür war, dass in der Zwischenzeit keine Lösung auf Ebene der OECD gefunden wird. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte sich zuletzt wiederholt optimistisch gezeigt, dass eine solche Einigung – einschließlich einer Mindestbesteuerung für Unternehmen – bis Mitte 2020 möglich sei. Die EU-Kommission hatte ursprünglich eine deutlich umfassendere Variante einer Digitalsteuer vorgeschlagen, die nicht nur Online-Werbung, sondern auch den Verkauf von Nutzerdaten berücksichtigt hätte.Der dänische Finanzminister Kristian Jensen verwies in der Ecofin-Debatte gestern allerdings auf die Gefahren: Wenn die EU jetzt mit einer Besteuerung des Umsatzes anfange, gebe es für Drittstaaten keine Gründe mehr, nicht auch damit anzufangen. Ähnlich argumentierte Schwedens Ressortchefin Magdalena Andersson. Die heutigen Prinzipien der Besteuerung, wonach nicht der Ort des Verbrauchs, sondern derjenige der Produktion und Wertschöpfung besteuert werde, hätten weiter ihre Gründe, betonte sie.EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici widersprach: Die aktuelle Betriebsstätten-Ausrichtung bei der Besteuerung sei überholt und passe nicht mehr in das 21. Jahrhundert. Der österreichische Finanzminister Hartwig Löger zeigte sich ebenfalls enttäuscht, dass man sich in der EU nicht einmal auf einen “symbolischen Minimalansatz” für eine Besteuerung der multinational agierenden Digitalkonzerne verständigen könne. Er verwies darauf, dass aus der US-Regierung bereits Signale gekommen seien, diesen Weg auch mitzugehen. Frankreichs Ressortchef Bruno Le Maire sprach von einer “verpassten Chance”. Jetzt müsse man halt auf OECD-Ebene versuchen, eine Einigung zu erreichen. Die Steuervermeidung der Konzerne, so warnte Le Maire, sei eine Gefahr für die Demokratie.Im Gegensatz zur Digitalsteuer gab es bei der seit Jahren erfolglos diskutierten Finanztransaktionssteuer (FTT) wieder positive Impulse. Nach einem Treffen der zehn Länder, die eine verstärkte Zusammenarbeit vereinbart hatten, sprach Bundesfinanzminister Olaf Scholz von vielen Fortschritten, die gemacht worden seien. Diskutiert werde auch schon darüber, wie das Geld verwendet werden solle. “Am Ende sieht es so aus, dass wir einen Konsens erreichen können”, sagte der SPD-Politiker. Scholz hatte zusammen mit seinem französischen Kollegen Le Maire kürzlich einen neuen Kompromissvorschlag in die Runde eingebracht, der eine Art Aktiensteuer nach französischem Vorbild vorsieht. Österreichs Finanzminister Löger zeigte sich gestern skeptisch, weil seiner Ansicht nach die Bemessungsgrundlage breiter gefasst werden muss. Mit einer reinen Aktiensteuer sei man aus österreichischer Sicht nicht zufrieden. Die FTT, die auch als mögliche Einnahmequelle für ein Eurozonen-Budget gilt, soll auf den nächsten Sitzungen der Eurogruppe und des Ecofin diskutiert werden.Einigung erzielten die EU-Finanzminister gestern über eine Aktualisierung der schwarzen Liste der Steueroasen, die erstmals im Dezember 2017 veröffentlicht worden war. Dabei wurden fünf weitere Länder auf die Liste gesetzt, weil sie unter anderem ihre Zusagen gegenüber der EU nicht eingehalten hatten: Aruba, Barbados, Belize, Bermuda, Dominica, Fidschi, Marshallinseln, Oman, Vanuatu und die Vereinigten Arabischen Emirate. Auf einer “grauen Liste” mit Ländern, die noch beobachtet werden, stehen noch rund 60 Namen. Der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold erklärte, 60 Steueroasen hätten schon angefangen, ihre schädlichsten Steuergesetze zu ändern oder abzuschaffen. Das sei ein erster Erfolg der schwarzen Liste.