Sinn Féin fordert Referendum

Im Falle eines "No Deal"-Brexit soll Nordirland über den Anschluss an die Republik im Süden abstimmen

Sinn Féin fordert Referendum

Die nordirischen Republikaner werden die Brexit-Debatte dazu nutzen, das im Karfreitagsabkommen vorgesehene Referendum über einen Anschluss an die Republik im Süden auf die Tagesordnung zu setzen. Premier Boris Johnson zeigt sich dagegen weiter kompromisslos und spricht wieder über einen Hard Brexit.Von Andreas Hippin, LondonGroßbritannies Premier Boris Johnson hat nicht nur in Schottland ein Problem, wo die nationalistische Regionalregierung ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum plant, sollte Großbritannien aus der EU austreten. Auch die nordirischen Republikaner wollen im Falle eines Hard Brexit die im Karfreitagsabkommen vorgesehene Möglichkeit einer Volksabstimmung über einen Anschluss von Ulster an die Republik im Süden nutzen. Gestern telefonierte Johnson mit seinem irischen Amtskollegen Leo Varadkar, der gesagt hatte, dass die Zahl der Nordiren, die ihre Zugehörigkeit zum Vereinigten Königreich in Frage stellen, durch einen Hard Brexit steigen werde.”Wenn die britische Regierung bei ihren Erwägungen eine harte Grenze mit eingerechnet hat, muss sie auch mit einem Einheitsreferendum rechnen, wie es im Karfreitagsabkommen enthalten ist”, sagte Mary Lou McDonald, die Präsidentin von Sinn Féin, in Belfast. Sie werde den frischgebackenen britischen Premier an seine Verpflichtungen unter dem Friedensabkommen erinnern, das dem Bürgerkrieg in Nordirland ein Ende setzte. Weil sich eine Mehrheit der Nordiren 2016 gegen den Brexit ausgesprochen hatte, hofft McDonalds Partei, das Thema für sich ausschlachten zu können. “Die Einheit Irlands ist der Weg zurück in die EU”, sagte McDonald. Viele Leute seien offen dafür, über die Aussichten eines vereinten Irland zu sprechen. Doch in Nordirland sprach sich in der Vergangenheit in Meinungsumfragen stets eine klare Mehrheit für den Verbleib im Vereinigten Königreich aus. “Unnötig aggressiv””Ironischerweise ist eines der Dinge, das die Union, die dem Vereinigten Königreich zugrunde liegt, wirklich untergraben könnte, ein harter Brexit – sowohl für Nordirland als auch für Schottland”, sagte Varadkar. Ian Paisley, der für die nordirischen Unionisten (Democratic Unionist Party, DUP) im britischen Unterhaus sitzt, nannte Varadkars Wortwahl “wenig hilfreich und unnötig aggressiv”. Johnson machte im Gespräch mit Varadkar erneut klar, dass Großbritannien die Staatengemeinschaft am 31. Oktober verlassen werde, ob mit oder ohne vorherige Übereinkunft mit Brüssel.Der EU-Kommission kommt in dem Streit eine zentrale Rolle zu. Katalanen mögen sich verwundert die Augen reiben, hatte Brüssel für ihr Ansinnen doch kein Verständnis gezeigt. Den nordirischen Republikanern wurden dagegen mit Vorschlägen wie der im Entwurf für den Brexit-Vertrag vorgesehenen Option eines Verbleibs in der Zollunion unrealistische Hoffnungen gemacht.Die institutionalisierte Teilung der Macht zwischen Republikanern und Unionisten, die im Karfreitagsabkommen festgeschrieben wird, ist im Januar 2017 zusammengebrochen, nachdem DUP-Chefin Arlene Foster nicht bereit war, wegen eines Skandals um ein völlig aus dem Ruder gelaufenes Subventionsprogramm für regenerative Energien ihr Amt als First Minister niederzulegen. Seitdem gibt es in Nordirland keine arbeitsfähige Regionalregierung. An ihrem Sitz im Belfaster Stadtteil Stormont teilten sich die gegnerischen Lager knapp zwei Jahrzehnte lang die Macht. Die Republikaner würden derzeit offenbar lieber zu London zurückkehren, als einen Kompromiss mit der DUP zu suchen, weil sie sich von einer Verschärfung des politischen Konflikts Vorteile versprechen.Johnson machte bei einem Besuch in Wales die EU dafür verantwortlich, dass es zu einem ungeregelten Brexit kommen könnte. Die Sondervereinbarungen zu Nordirland im Austrittsvertrag seien vom Parlament drei Mal abgelehnt worden. Es gebe keine Mehrheit für Theresa Mays Deal. Wenn die EU nicht kompromissfähig sei, müsse man sich auf einen “No Deal”-Brexit einstellen.