Marcel Fratzscher, DIW

„Solche Knappheiten werden zur Norm“

Die Knappheit von einigen Vorprodukten und Rohstoffen schürt Sorgen, dass der erhoffte Konjunkturaufschwung ins Stocken gerät. DIW-Chef Marcel Fratzscher beschwichtigt - sieht aber Herausforderungen für die Zukunft.

„Solche Knappheiten werden zur Norm“

Mark Schrörs.

Herr Professor Fratzscher, weltweit herrscht zunehmend Knappheit bei einigen Vorprodukten wie Halbleitern und Rohstoffen wie Holz und vor allem die deutsche Industrie klagt über Engpässe. Droht das die erhoffte und beginnende Wirtschaftserholung zu untergraben?

Diese Knappheit und die Preisschwankungen bei Rohstoffen sind für manche Unternehmen ein Problem. Aber gerade die deutsche Industrie – und auch die Bauwirtschaft – hat zur Zeit keinen Grund zur Klage, denn sie erlebt einen Boom, dank der großen Exportnachfrage aus Asien. Natürlich schaffen diese Probleme eine hohe Unsicherheit für Unternehmen, die ihre Lieferketten resilienter machen und sich künftig besser gegen solche Risiken absichern müssen.

Bei vielen Unternehmen und Sektoren scheint in der Krise der Spielraum, steigende Kosten für Vorprodukte weiterzugeben, kurzfristig begrenzt. Erhöht das die Gefahr, dass noch mehr Unternehmen in finanzielle Not geraten – und die Insolvenzwelle noch stärker anschwillt?

Es gibt nicht nur Verlierer, sondern auch Gewinner dieser Preisschwankungen. Ich sehe diese jedoch nicht als eine ernsthafte Gefahr für die Solvenz von Unternehmen. Das ungleich größere Problem ist die Überschuldung und, in manchen Fällen, die wenig zukunftsfähigen Geschäftsmodelle von Unternehmen. Dies betrifft vor allem Unternehmen in den Dienstleistungsbranchen, die unter den von der Pandemie verursachten Restriktionen besonders stark gelitten haben.

Aus der Wirtschaft werden bereits erste Rufe Richtung Politik laut – wegen Hilfen für Unternehmen oder zur Eindämmung von Preistreiberei – und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier will sich das Problem anschauen. Besteht Handlungsbedarf seitens der Politik und was kann sie tun?

Klimawandel und Geopolitik – nicht Preistreiberei – sind mit die wichtigsten Ursachen für die genannten Probleme. Die Explosion der Holzpreise ist auf Trockenheit, Schädlingsbefall und die Waldbrände in den USA zurückzuführen, die letztlich durch den Klimawandel verursacht wurden. Die zunehmenden Handelskonflikte und Protektionismus werden in den kommenden Jahrzehnten solche Knappheiten und Preisschwankungen zur Norm machen. Effektiver Klimaschutz sowie eine bessere globale Kooperation und Multilateralismus sind daher die richtigen Antworten der Politik. Kurzfristige politische Interventionen, wie Subventionen oder Exportverbote, sind nicht die richtige Antwort. Sie dürften die Probleme lediglich verschärfen.

Das Interview führte