Sorge um britische Wirtschaft wächst

Dienstleisterstimmung so schlecht wie nach dem Brexit-Votum - Widerstand im Parlament nimmt zu

Sorge um britische Wirtschaft wächst

Eine Mehrheit für das Brexit-Abkommen bei der Abstimmung am 11. Dezember wird immer fraglicher. Während die hitzigen Debatten im Unterhaus weitergehen, ist die Stimmung der Dienstleister so schlecht wie kurz nach dem Brexit-Referendum. ba Frankfurt – Während im britischen Unterhaus die Diskussionen über den Brexit-Plan von Premierministerin Theresa May heißlaufen, steigen die Sorgen um die Konjunktur im Vereinigten Königreich. Ein weiteres Indiz lieferten die gestern veröffentlichten endgültigen Einkaufsmanagerindizes.Der Einkaufsmanagerindex für die britischen Dienstleister fiel im November um 1,8 auf 50,4 Punkte und liegt nun – mit Ausnahme von Juli 2016, unmittelbar nach dem Brexit-Referendum – auf dem tiefsten Stand seit Februar 2013. Ökonomen wurden von dem dritten Rückgang in Folge überrascht, denn sie hatten einen leichten Zuwachs auf 52,5 Punkte erwartet. Der Indikator liegt damit aber weiter über der Schwelle von 50 Punkten – Werte darüber signalisieren Wachstum. Die Dienstleistungsbranche ist der dominierende Sektor in Großbritannien.”Eine drastische Verschlechterung des Wachstums im Dienstleistungssektor führt dazu, dass die Wirtschaft im November kaum noch expandiert, da sich die Sorgen um den Brexit verstärken”, sagte Williamson. “Wenn die Nachfrage nicht wiederbelebt wird, ist ein Abrutschen in den wirtschaftlichen Abschwung zum Jahreswechsel durchaus möglich.” Der PMI Composite, der die Indikatoren für Dienstleister, Industrie und Bau zusammenfasst, fiel im November um 1,2 auf 51,0 Punkte und signalisiert laut Williamson ein Wachstum von 0,1 % im vierten Quartal. Im Sommer hatte die britische Wirtschaft um 0,6 % zugelegt.Die Umfrage habe deutlich gezeigt, dass das erhöhte Risiko eines “No Deal”-Brexit einen spürbaren Einfluss auf das Wachstum hat, sagte James Smith von der ING. Insbesondere die Verzögerung von Investitionsentscheidungen habe zu dem Minus geführt, und dieser Trend werde über den Winter andauern. Auch Einstellungspläne würden wohl zurückgestellt, bis Klarheit über die Frage Deal oder No Deal herrsche. Das britische Unterhaus stimmt am 11. Dezember über den EU-Austrittsvertrag ab.Gestern musste die britische Regierung ein Rechtsgutachten von Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox zu dem Abkommen veröffentlichen, nachdem sie am Dienstag mehrere Abstimmungsniederlagen im Parlament erlitten hatte. Das Gutachten dürfte den Widerstand gegen das Abkommen weiter verstärken. Darin wird ausgeführt, dass entweder Großbritannien als Ganzes oder nur Nordirland möglicherweise auf unbestimmte Zeit in einer Zollunion mit der EU bleiben müssten, sollte kein Abkommen über das künftige Verhältnis zustande kommen. Beides wollen Abgeordnete im britischen Parlament unbedingt verhindern.Gabriel Felbermayr, Leiter des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, bereitet indes Sorge, dass “wir schon so lange zu tun haben mit dem Thema Großbritannien”. David Cameron habe bereits vor dem Referendum versucht, von Europa Zugeständnisse zu bekommen – doch er habe am Ende nur sehr wenig bekommen und sei damit im Referendum gescheitert. Was die Europäer geboten hätten, sei zu wenig gewesen, “um die Briten an Bord zu halten”, sagte er auf einer Veranstaltung in Frankfurt: “Da müsste die EU ein Stück weit großzügiger sein.” Denn für die Wertschöpfungssysteme sei zentral, die Briten in der Zollunion zu halten. Mit einem Freihandelsabkommen sei die Ursprungsregel, also der Nachweis, dass ein Produkt tatsächlich zollfrei gehandelt werden darf, nicht darstellbar, aber man müsse den Briten dafür Mitspracherechte geben. In den Brexit-Verhandlungen sei nicht entsprechend diskutiert worden. Denn Großbritannien wolle “wirtschaftlich mitmachen, aber die politische Union ist das, was das Problem darstellt”, so Felbermayr. Von dem “Alles oder nichts” sollte Brüssel abrücken, empfiehlt er.Aber nicht nur die britische, sondern auch die Wirtschaft der Eurozone verliert zusehends an Schwung. Mittlerweile sinkt nicht nur die Stimmung in der Industrie, sondern auch der Dienstleistungssektor zeigt sich immer stärker belastet. “Die Eurozone steckt weiter in einer Wachstumsdelle”, kommentierte IHS-Markit-Chefökonom Chris Williamson den PMI Composite, der im November um 0,4 auf 52,7 Punkte sank, damit aber die Vorabschätzung um 0,3 Zähler übertraf.