Sorge vor "chronischer Ungewissheit" durch Brexit

Ökonomen stellen bereits Wirtschaftsschäden fest

Sorge vor "chronischer Ungewissheit" durch Brexit

hip London – Der Direktor des britischen Nationalen Instituts für Wirtschafts- und Sozialforschung (NIESR) hat vor den möglichen Folgen der “chronischen Ungewissheit” gewarnt, die auf die mangelnde Klarheit in Sachen Brexit zurückgeht. “Die mit dem EU-Austritt verbundene Unsicherheit und niedrigere Wachstumsaussichten haben dazu geführt, dass Investitionsvorhaben verschoben wurden”, sagte Jagjit Chadra vor Journalisten in Westminster. Zudem sei es zuletzt zu einem verstärkten Aufbau von Lagerbeständen gekommen. Derzeit sehe es so aus, als würde das Land die Staatengemeinschaft zu einem erst noch festzulegenden Termin zu viel “weicheren” Konditionen verlassen. Zudem sei mit einer langen Übergangsperiode zu rechnen. Das zentrale Szenario der NIESR-Ökonomen bleibt ein “weicher” Brexit, bei dem die irische Grenze offen bleibt und die EU und Großbritannien sich gegenseitig ein hohes Maß an Zugang zu ihren Märkten gewähren. Die Unsicherheit wird aus ihrer Sicht noch Jahre anhalten, dadurch verlorenes Wachstum lasse sich nicht wieder aufholen.Es handele sich bei dem Szenario lediglich um eine fundierte Vermutung, man sei nicht besonders sicher, dass es auch so kommen werde, sagte Garry Young, Director of Macroeconomic Modelling & Forecasting bei der Denkfabrik. Käme es jedoch dazu, würde die Wirtschaft so weiterlaufen wie bisher und das Bruttoinlandsprodukt 2019 um 1,4 % und 2020 um 1,6 % wachsen, die Arbeitslosenquote bei rund 4 % verharren und die Teuerungsrate bei um die 2 % bleiben. Der Leitzins der Bank of England von derzeit 0,75 % würde bis Mitte 2020 stabil bleiben und danach schrittweise steigen. Die Ausgaben der öffentlichen Hand dürften schneller steigen als derzeit geplant. Im Verbund mit der anstehenden Reklassifizierung von Studentenkrediten werde das dazu führen, dass die Regierung ihre mittelfristigen fiskalischen Ziele nicht erreichen wird.Niedrige Realzinsen und die geringe Arbeitslosigkeit zählen zu den Gründen, die NIESR dafür auflistet, dass die Sparquote auf ein “nicht nachhaltiges” Niveau abgerutscht ist. Die geringe Sparbereitschaft von Haushalten, Unternehmen und der öffentlichen Hand führe dazu, dass ein wesentlicher Teil der Investitionen im Inland von Ausländern finanziert werde. Das bedeute, dass ein wachsender Anteil der Rendite nicht Einheimischen zufließe. Das schwache Produktivitätswachstum und die niedrige Sparquote dürfte für die Verbesserung des Lebensstandards in der Zukunft nicht förderlich sein. Schotten rebellieren erneutDie schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon forderte unterdessen ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum noch vor Ende der laufenden Legislaturperiode im Mai 2021, sollte Schottland gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit aus der EU herausgenommen werden. Drei Jahre nach dem Votum für den Brexit sei es “unmöglich, mit Sicherheit zu sagen, was als Nächstes passieren wird”, sagte Sturgeon im Regionalparlament in Holyrood. “Dieses Chaos war nicht das unvermeidliche Resultat des Votums, die EU zu verlassen. Es geht auf eine toxische Verbindung von Unehrlichkeit und Inkompetenz zurück.” Aus der Downing Street wurde ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum rundheraus abgelehnt. Mays Gegner fanden derweil im 1922 Committee der Tories keine Mehrheit für eine Änderung der Regeln für eine vorzeitige Absetzung des Parteivorsitzenden. Damit ist ein neues Misstrauensvotum gegen May erst im Dezember möglich.