Spanien und Portugal sind weit weg von Italien
Von Thilo Schäfer, MadridNeben Italien zählen auch Spanien und Portugal zu den sechs Euro-Staaten, die einen blauen Brief aus Brüssel mit Beanstandungen ihres Haushalts für 2019 erhielten. Doch während man sich in Rom auf einen harten Streit mit der Europäischen Kommission und eine mögliche Ablehnung des Plans einrichtet, nahm man die Rüffel in Madrid und Lissabon eher gelassen zur Kenntnis. Auch an den Märkten löste die Planung der beiden von Sozialisten geführten Minderheitsregierungen keine Nervosität aus, wie die Risikoaufschläge der Staatsanleihen zeigen. Bei der spanischen Notenbank ist man daher zuversichtlich, dass die hohe Ansteckungsgefahr, unter der die Südländer in den Jahren der Krise und danach litten, nun vorbei ist und die Märkte die Situation in Italien sehr wohl von denen in Spanien und Portugal unterscheiden können. Geringere AbweichungZwar weichen auch die Haushalte der Iberer von den Vorgaben aus Brüssel ab. Aber der Unterschied ist längst nicht so dramatisch wie im Falle der Italiener, die dreimal mehr Schulden aufnehmen wollen als ursprünglich vereinbart, und das ohne jegliche Absprache und begleitet von einer herausfordernden Rhetorik gegenüber der Kommission. Der Unterschied zwischen den drei Südländern liegt auch im Ton, der Vertrauen im Ausland schafft. Personal aus BrüsselAm 1. Juni übernahmen die rechtsradikale Lega und die ebenfalls anti-europäisch gesinnte Fünf-Sterne-Bewegung in Rom die Regierungsgeschäfte. Am selben Tag drängte in Madrid der Sozialist Pedro Sánchez durch ein Misstrauensvotum die konservativen Regierung von Mariano Rajoy aus dem Amt. Sánchez wusste, dass er ein Zeichen setzen musste wegen der Sorgen in Europa über die neue italienische Regierung und die Schwäche seiner Sozialisten im Parlament, wo sie auf die Unterstützung der Linkskoalition Unidos Podemos angewiesen sein würden. Daher machte Sánchez den früheren Präsidenten des Europaparlaments Josep Borrell zum Außenminister und vergab das Wirtschaftsministerium an Nadia Calviño, eine hoch respektierte Generaldirektorin aus der Haushaltsabteilung der Kommission. Der spanische Ministerpräsident beharrt seitdem darauf, dass seine Regierung proeuropäisch ausgerichtet ist. Selbst Podemos, mit welcher der Haushaltsplan ausgehandelt wurde, hat die radikaleren Forderungen ihrer Anfangszeiten, inklusive eines Ausstiegs aus dem Euro, begraben.Im Gegensatz zu den Italienern hatten die Spanier in Brüssel vorgetastet, um ein bisschen mehr Spielraum bei der Finanzplanung zu bekommen. Der expansive Haushaltsplan, mit einer durch neue Steuern gegenfinanzierten Ausgabenerhöhung, wurde von der Kommission kritisiert, die wie viele Experten die Berechnungen der neuen Einnahmen in Frage stellt. Das Defizit soll 2019 auf 1,8 % des Bruttoinlandsproduktes sinken, von 2,7 % in diesem Jahr. Das ist jeweils ein halber Punkt mehr als vereinbart. Die Kommission bemängelte, dass die Senkung des strukturellen Defizits um 0,4 Prozentpunkte hinter den Vorgaben von 0,65 % zurückbleibt, und verlangte daher Nachbesserungen. Finanzministerin María Jesús Montero lehnte am Montag weitere Steuern zur Finanzierung der vorgesehenen Mehrausgaben ab. In Brüssel sei man “recht zufrieden” mit den spanischen Haushaltsplan, behauptete sie. Sollte der Fehlbetrag wie allgemein erwartet im laufenden Jahr unter die 3-Prozent-Marke sinken, würde Spanien als letztes Euro-Land aus dem Defizitverfahren ausscheiden, was dem Nachbarn Portugal bereits gelungen ist. Ratings angehobenDie sozialistische Minderheitsregierung in Lissabon, die seit 2015 mit Unterstützung der Parteien am linken Rand regiert, ist das Vorbild für Sánchez, der seinen portugiesischen Kollegen António Costa mehrfach besucht hatte, bevor er daheim Rajoy ablösen konnte. Costa gelang es, viele der harten Kürzungen während des Rettungsschirms teilweise zurückzudrehen, etwa bei den Renten und den Gehältern im öffentlichen Dienst, ohne dabei den Konsolidierungskurs zu gefährden. Im letzten Jahr betrug das Defizit zwar 3 %. Aber das lag hauptsächlich an staatlichen Hilfen für die angeschlagene öffentliche Bank Caixa Geral de Depósitos (CGD). Nächstes Jahr soll nach dem Willen der Regierung der Fehlbetrag auf nur noch 0,2 % sinken. Dennoch tadelte die Kommission in ihrem blauen Brief den mangelnden Ehrgeiz bei der Senkung des strukturellen Defizits. Finanzminister Mário Centeno verteidigte den Plan jedoch. Dieser enthalte “keine vermeintlich einfachen Lösungen mit populistischem Anstrich”. Das kann man als Seitenhieb auf Italien interpretieren. Es ist, ein Jahr vor der Parlamentswahl in Portugal, auch eine Warnung an die eigenen linken Bündnispartner, deren teurere Forderungen die Sozialisten in den letzten Jahren in Schach gehalten haben. Dank seiner Haushaltspolitik wurde Centeno sogar zum Chef der Eurogruppe. Mittlerweile attestieren alle vier großen Ratingagenturen Lissabon wieder ein Investment Grade.Keine Frage, Spanien und Portugal haben das verlorene Vertrauen zurückerobert, und so wie es derzeit aussieht, kann auch der Konfrontationskurs der italienischen Regierung die beiden Länder nicht mit in die Tiefe reißen.