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Spaniens Notenbankchef in der Kritik

Von Thilo Schäfer, Madrid Börsen-Zeitung, 8.6.2019 Die spanische Notenbank ist unter Beschuss geraten. Die Polemik zwischen dem Gouverneur des Banco de España, Pablo Hernández de Cos, der Regierung und den Gewerkschaften um die Anhebung des...

Spaniens Notenbankchef in der Kritik

Von Thilo Schäfer, Madrid Die spanische Notenbank ist unter Beschuss geraten. Die Polemik zwischen dem Gouverneur des Banco de España, Pablo Hernández de Cos, der Regierung und den Gewerkschaften um die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohnes war dieser Tage sogar Stoff für die Fernsehnachrichten. Vergangenes Jahr hatte die sozialistische Minderheitsregierung von Pedro Sánchez beschlossen, den Mindestlohn um üppige 22,3 % auf monatlich 900 Euro anzuheben. Spaniens Arbeitgeberverbände schlugen erwartungsgemäß die Hände über dem Kopf zusammen und warnten vor kräftigen Jobverlusten.Zu den Kritikern der Maßnahme unter den Volkswirten und Oppositionsparteien gesellte sich auch die unabhängige Aufsichtsbehörde der Staatsfinanzen Airef und eben Hernández de Cos. “Wir wollen ja nicht das Gegenteil davon erreichen, was wir eigentlich vorhaben, nämlich die Beschäftigung für jene verringern, die es am meisten nötig haben: die Jugendlichen”, sagte der Gouverneur vor einem Parlamentsausschuss im November. Hernández de Cos räumte jedoch ein, dass man “wenig Erfahrung” mit einer Erhöhung des Mindestlohns in diesem Ausmaße habe. Dennoch bezifferten die Volkswirte der Notenbank kurze Zeit darauf in einer Studie den Verlust an Arbeitsplätzen auf bis zu 125 000 Stellen. Die Regierung um Wirtschaftsministerin Nadia Calviño verteidigte dagegen die Maßnahme, die zu Jahresbeginn in Kraft trat, gegen alle Kritik.Fünf Monate später fühlen sich die Sozialisten, die bei den vorgezogenen Parlamentswahlen Ende April gewannen, bestätigt. Denn alle Statistiken belegen, dass die Arbeitslosigkeit weiter sinkt, wenn auch nicht mehr ganz so schnell wie in den Jahren zuvor, im Rahmen der konjunkturellen Abkühlung. “Mal sehen, ob diese Propheten des Desasters sich jetzt entschuldigen”, wetterte die Arbeitsministerin Magdalena Valerio. Das war freilich auf einer Wahlkampfveranstaltung vor den Wahlen am 26. Mai.Doch ihre Staatsekretärin, Yolanda Valdeolivas, legte bei der Vorlage der Jobdaten für Mai am vergangenen Dienstag nach. Die Studie der Notenbank habe “unnötigen sozialen Alarm” verursacht, sagte sie. “Das Mindeste, was (die Notenbank) tun kann, ist, ihren Fehler einzugestehen.” José María Alvarez, Generalsekretär der Gewerkschaft UGT, ging sogar noch weiter und verlangte von Hernández de Cos, sich “bei allen Spaniern zu entschuldigen”. Zu allem Übel räumte der Chef der Aufsichtsbehörde Airef, José Luis Escrivá, ein, dass man sich bei der Einschätzung der negativen Folgen der Maßnahme seinerzeit verschätzt habe. Hernández de Cos wurde von der vorherigen konservativen Regierung an die Spitze des Banco de España befördert, kurz bevor diese im Juni 2018 über ein Misstrauensvotum stürzte. Er hat jedoch kein parteipolitisches Profil. Der promovierte Volkswirt hat fast seine ganze berufliche Karriere beim Banco de España bestritten.Die Notenbank verteidigte sich am Freitag auf einer Pressekonferenz zur aktualisierten Wirtschaftsprognose gegen die Angriffe. Man habe in der besagten Studie eine Methode von zwei Volkswirten aus dem Hause angewandt, die international anerkannt sei. Allerdings wurde die Auswirkung der Anhebung des Mindestlohns auf Grundlage der Arbeitsmarktdaten von 2017 untersucht, da keine aktuelleren Zahlen vorlagen. Das könnte zu Fehlschlüssen führen. “Wir haben auch keine Kristallkugel”, gestand Óscar Arce, Direktor der Wirtschaftsabteilung. Man wolle die Studie wiederholen, sobald Daten für 2019 vorlägen. An ihrer Kernthese hält die Notenbank jedoch fest. “Wir glauben weiter, dass der höhere Mindestlohn negative Auswirkungen auf die Beschäftigung haben wird”, so Arce.