NOTIERT IN MADRID

Spanische Steuerfahnder schielen nach Portugal

Portugal war immer schon ein interessanter Markt für spanische Unternehmen. Seit sich der kleinere Nachbar von der schweren Wirtschaftskrise einigermaßen erholt hat, sind auch spanische Konzerne wieder aktiver geworden. Die Großbanken Santander und...

Spanische Steuerfahnder schielen nach Portugal

Portugal war immer schon ein interessanter Markt für spanische Unternehmen. Seit sich der kleinere Nachbar von der schweren Wirtschaftskrise einigermaßen erholt hat, sind auch spanische Konzerne wieder aktiver geworden. Die Großbanken Santander und Caixabank kauften unlängst in Portugal hinzu und nun wagt Spaniens größte Supermarktkette Mercadona den Schritt ins Nachbarland, wo sie die Vorherrschaft der Läden der portugiesischen Familienclans der Azevedos und der Soares dos Santos angreifen wollen. Derweil leiten viele internationale Firmen das Portugal-Geschäft von ihren Hauptquartieren in Madrid aus. Auch die meisten Auslandskorrespondenten, wie der Autor dieser Zeilen, kümmern sich von ihrem Sitz in Spaniens Hauptstadt aus mehr oder weniger gründlich um das Geschehen nebenan. Bei vielen Portugiesen schürt diese Situation verständlicherweise den Eindruck, kolonialisiert zu sein. Doch wirtschaftlich ist die Nähe zum nicht immer geliebten großen Nachbarn sicher kein Nachteil. Die immens gestiegene Beliebtheit Portugals bei Investoren und Expats aus Spanien hat nun aber auch andere Blüten getrieben. Das spanische Finanzamt überprüft neuerdings verstärkt, ob nach Lissabon oder Porto entsandte Manager tatsächlich die Mehrheit des Jahres dort residieren und deshalb ihre Steuern nicht in Spanien zahlen müssen, wie die Madrider Wirtschaftszeitung “Expansión” diese Woche berichtete.Seit zehn Jahren bietet Portugal ausländischen Fachkräften, die nicht permanent im Lande residieren, einen ermäßigten Einkommenssteuersatz von 20 %. Die Maßnahme ist Teil eines von der Troika zu Zeiten des Rettungsschirms auferlegten Pakets, wonach Rentner aus EU-Staaten keine Einkommensteuer zahlen und Nicht-EU-Ausländer durch den Kauf einer Immobilie ein “Goldenes Visum” erwerben können. Diese Neuerungen haben viel Kapital und vermögende Personen nach Portugal gebracht, was sich in den dramatisch gestiegenen Wohnungspreisen zeigt. Die spanischen Steuerbeamten der Agencia Tributaria gehen nun Fällen von gut bezahlten Vorständen, die von Madrid nach Lissabon geschickt wurden nach, um zu sehen, ob diese tatsächlich mindestens 183 Tage im Jahr in Portugal ihrem Beruf nachgehen und dort ihren festen Wohnsitz haben. Diese Art von Steuerhinterziehung zu beweisen, fällt nicht immer leicht. Nach Informationen von “Expansión” unter Berufung auf Quellen in der Finanzbehörde sind einige Fälle bereits vor Gericht gelandet. *Während die spanischen Finanzbeamten potenziellen Steuersündern in Portugal nachspüren, pflegen die Regierungschefs beider Länder eine sehr harmonische Beziehung, nicht nur weil sie derselben politischen Familie angehören. Spaniens Pedro Sánchez und Portugals António Costa sind, zusammen mit der neuen dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, derzeit die einflussreichsten Sozialdemokraten in Europa, wie auf dem Gipfel zur Verteilung der Top-Posten der EU deutlich wurde. Costa war eine wichtige Stütze und Vorbild für Sánchez, schon bevor dieser durch das Misstrauensvotum 2018 in Spanien an die Macht gelangte. Nun will der Spanier um jeden Preis auch das politische Modell Costas im eigenen Land nachmachen. Die portugiesischen Sozialisten regieren seit 2015 in Minderheit mit den Stimmen des Linken Blocks und der Kommunisten, jedoch ohne Regierungsbeteiligung dieser beiden Parteien. Sánchez hat der Linkskoalition Unidas Podemos statt einer Koalition lediglich eine “Kooperationsregierung” angeboten. Die spanischen Sozialisten benötigen neben den Linken noch weitere Stimmen aus dem Lager der Nationalisten, um in Minderheit regieren zu können. Am Dienstag traf sich Sánchez erneut mit dem Chef von Unidas Podemos, Pablo Iglesias, der darauf besteht, am Koalitionstisch Platz nehmen zu können. Es gab keine Einigung und die Wiederwahl von Sánchez im Parlament übernächste Woche steht in den Sternen. Sollte der Sozialist scheitern, könnte es in Spanien tatsächlich zu den vierten Wahlen binnen vier Jahren kommen. Costa konnte dagegen in Portugal vier Jahre durchregieren. Manche Dinge laufen beim kleinen Nachbarn derzeit einfach besser.