Spannende EZB-Debatte erwartet

Deka-Volkswirte setzen auf erste Details zur Überprüfung der Strategie - Kontinuität in der Geldpolitik

Spannende EZB-Debatte erwartet

Premiere für Neu-EZB-Präsidentin Christine Lagarde: Sie leitet in dieser Woche ihre erste geldpolitische Sitzung des EZB-Rats und gibt am Donnerstag ihre erste Pressekonferenz. In der Geldpolitik sind die zentralen Weichen erst einmal gestellt. Aber die Blicke richten sich schon auf die avisierte Strategieüberprüfung.ms Frankfurt – Kontinuität in Sachen Geldpolitik, aber Spannung beim Thema Strategieüberprüfung – so lassen sich die Erwartungen der DekaBank an die erste Zinssitzung der neuen EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag zusammenfassen. Wie Deka-Volkswirt Kristian Tödtmann im Kommentar zum neuen Zinskompass schreibt, der jeweils vor einer geldpolitischen Sitzung in der Börsen-Zeitung erscheint, wird Lagarde einerseits bemüht sein, Kontinuität in der Geldpolitik zu vermitteln – auch um die Märkte nicht zu verwirren. Andererseits könnte sie aber die von ihr avisierte Strategieüberprüfung etwas konkretisieren – inklusive eines groben Zeitplans. “Die Diskussion über die bestmögliche geldpolitische Strategie verspricht spannend zu werden”, so Tödtmann.Anfang November hatte Lagarde das Zepter bei der Europäischen Zentralbank (EZB) von Mario Draghi übernommen. In den ersten Wochen hat sie sich mit Aussagen zur Geldpolitik zurückgehalten. Umso größer ist die Spannung vor dem ersten geldpolitischen Treffen des EZB-Rats und der ersten Pressekonferenz von Lagarde. Das gilt besonders für Deutschland, in der weite Teile der Öffentlichkeit und viele in der Politik die ultralockere Geldpolitik kritisch sehen. Im September hatte der EZB-Rat seine bereits sehr expansive Geldpolitik erneut stark gelockert.Was die Geldpolitik betrifft, erwartet Deka-Ökonom Tödtmann wie die meisten anderen Experten aber zumindest vorerst keine gravierenden Veränderungen unter Lagarde – sondern Kontinuität. “Die Forward Guidance zu Leitzinsen und Wertpapierkäufen dürfte unverändert bleiben und Lagarde auf der Pressekonferenz Aussagen vermeiden, die die herrschenden Markterwartungen gravierend verändern könnten”, so Tödtmann. Das Eingangsstatement des EZB-Rats dürfte demnach auch erneut “die Bereitschaft unterstreichen, bei Bedarf alle verfügbaren Instrumente anzupassen”.Dazu passt auch der Wert des Deka-Kompasses, der die für die EZB maßgeblichen Indikatoren zusammenfasst. Nach einem erneuten Rückgang im Oktober stieg der Wert im November zwar ein gutes Stück. “Mit -18,2 Punkten liegt er aber nach wie vor auf einem Niveau, das den Bedarf einer stark expansiven Geldpolitik anzeigt und die umstrittene Lockerung vom September weiterhin angemessen erscheinen lässt”, so Tödtmann. Die Konjunktursäule des Kompasses verbesserte sich im November zum ersten Mal seit sechs Monaten (siehe Grafik); sie spiegelt aber weiter ein unterdurchschnittliches Wachstum wider. Die Finanzierungssäule setzte ihren Aufwärtstrend fort. Die Unternehmen kämen derzeit so leicht an Geld wie zuletzt vor der Weltfinanzkrise, so Tödtmann. Die Inflationssäule hingegen erholte sich nach zuvor erheblichen Rückgängen ein wenig. Sie signalisiere aber weiter, “dass die EZB vom Erreichen ihres Inflationsziels noch weit entfernt ist”, so Tödtmann.Während Lagarde den Kurs der EZB verteidigt und die Bereitschaft unterstrichen hat, auf eine eventuelle Verschlechterung des wirtschaftlichen Ausblicks zu reagieren, hat sie zugleich zugesichert, wachsam gegenüber schädlichen Nebenwirkungen der expansiven Ausrichtung zu sein. “Wir sehen im Spagat dieser Aussagen den Versuch Lagardes, die unterschiedlichen Lager im EZB-Rat hinter sich zu einen”, so Tödtmann. Gegen die Lockerung im September hatte es im EZB-Rat einen beispiellosen Widerstand gegeben. Inflationsziel im FokusMit besonderer Spannung blickt auch Tödtmann auf die bevorstehende Überprüfung der EZB-Strategie – der ersten seit dem Jahr 2003. Diese Überprüfung dürfe unter anderem den Umgang mit dem Inflationsziel von mittelfristig “unter, aber nahe 2 %” und die Gefahren einer für lange Zeit stark expansiven Geldpolitik zum Gegenstand haben, so der Volkswirt. Mit schnellen Ergebnissen rechnet er aber nicht. Das zeige auch das Beispiel der US-Notenbank Fed.Tödtmann betont zudem, dass es bei zentralen Themen wie dem Inflationsziel sehr unterschiedliche Ansichten im EZB-Rat gebe. So seien etwa die Hardliner (“Falken”) wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann der Ansicht, dass die Inflation über die vergangenen Jahrzehnte träger geworden sei und die EZB deswegen für das Erreichen des Inflationsziels mehr Zeit einkalkulieren müsse. Dagegen befürchteten die “Tauben” einen weiteren Rückgang der Inflationserwartungen, der das Erreichen des Ziels in der Zukunft noch schwieriger machen könnte. Sie seien deshalb sogar dafür, das Inflationsziel vorsätzlich für eine gewisse Zeit zu überschreiten. Die Diskussion sei noch nicht entschieden und berge viel Spannung, so Tödtmann.