Spartengewerkschaften scheitern mit Eilantrag
lz Frankfurt – Das Bundesverfassungsgericht sieht derzeit keine dermaßen schwerwiegenden, irreversiblen oder gar existenzgefährdenden Nachteile für die kleinen Berufsgewerkschaften durch das Tarifeinheitsgesetz, die eine einstweilige Anordnung rechtfertigen würden. Entsprechende Eilanträge der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, des Deutschen Journalistenverbandes und der Pilotenvereinigung Cockpit waren erfolglos, wie das Gericht am Freitag mitteilte (Az: 1 BvR 1571/15 u. a.). Die Richter beeilten sich aber zu betonen, dass mit dieser Entscheidung keine inhaltliche Tendenz zum Ausdruck komme. Es sei nur um eine Folgenabwägung für den Zeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache gegangen.Trotzdem werten Juristen die Entscheidung ihrem Wortlaut nach als einen Rückschlag für die klagenden Spartengewerkschaften. Hatten sie doch argumentiert, dass das kritisierte Tarifeinheitsgesetz ihre grundgesetzlich garantierte Koalitionsfreiheit unmittelbar beschneide und das Streikrecht einschränke. Es sei unmittelbar nicht hinreichend konkret erkennbar, beschieden die Richter nun in einem Passus, “dass die Beschwerdeführer in ihrer Tariffähigkeit und damit ihrer tarifpolitischen Existenz ernstlich gefährdet wären”.Mit den Bestimmungen zur Tarifeinheit kehrt Deutschland zum Prinzip “ein Betrieb – ein Tarifvertrag” zurück. Die Macht kleiner Spartengewerkschaften, die sich in der Vergangenheit durch besonders lange Streiks bemerkbar gemacht hatten, soll damit eingeschränkt werden.Wenn zwei Gewerkschaften in einem Betrieb dieselben Arbeitnehmergruppen vertreten, gilt im Kollisionsfall jetzt nur noch der Tarifvertrag jener Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in dem Betrieb. Das Gesetz wurde aus Sicht der Bundesregierung notwendig, weil das Bundesarbeitsgericht seine frühere Spruchpraxis im Juni 2010 überraschend aufgegeben hatte. Bis dahin galt im Kollisionsfall stets der Tarifvertrag, der dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten stand und deshalb dessen Erfordernissen und Eigenarten am ehesten gerecht wurde. Koalitionsfreiheit eingeengtDas Gesetz kam im Juli 2015 erst nach langer politischer Auseinandersetzung zustande, da es in Grundrechte eingreift. Arbeitnehmer könnten nicht mehr frei entscheiden, welcher Gewerkschaft sie sich anschließen wollten, argumentieren die Kläger. Karlsruhe kündigte nun an, bis Ende 2016 entscheiden zu wollen.Der Marburger Bund zeigte sich indes weiter zuversichtlich: “Der Beschluss mindert in keiner Weise die Chancen, im Hauptsacheverfahren recht zu bekommen”, sagte sein Vorsitzender Rudolf Henke. Die Pilotengewerkschaft zeigte sich dagegen enttäuscht. “Das Tarifeinheitsgesetz hat im Bereich der Gewerkschaften im Luftverkehr eine Situation geschaffen, welche uns als Vereinigung Cockpit in unserer Freiheit akut bedroht, in Zukunft wirksame Tarifverträge für unserer Mitglieder abzuschließen”, sagt Cockpit-Präsident Ilja Schulz.