KOALITIONSPOKER

SPD zürnt wegen Glyphosat

Merkel rügt Schmidt und pocht auf Koaltitionstreue

SPD zürnt wegen Glyphosat

wf Berlin – Kaum hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Union und SPD zu Annäherungsgesprächen bewegt, hängen dunkle Wolken über Schwarz-Rot. Der SPD reicht die Intervention von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Streit über das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat nicht aus. Merkel hatte Agrarminister Christian Schmidt (CSU) gerügt, nachdem dieser in Brüssel der Zulassung um weitere fünf Jahre zugestimmt hatte. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte zuvor ihren Widerspruch erneuert. Demnach hätte sich Schmidt in der europäischen Abstimmung enthalten müssen, anstatt zuzustimmen. Glyphosat ist ein zentrales Produkt der US-Firma Monsanto, die Bayer übernehmen will. “Das entsprach nicht der Weisungslage, die von der Bundesregierung ausgearbeitet war”, betonte Merkel am Rande des Dieselgipfels in Berlin zum Abstimmungsverhalten von Schmidt.Union und SPD hätten eine andere Geschäftsordnung verabredet. Diese gelte auch für die geschäftsführende Bundesregierung. “Deshalb erwarte ich auch, dass sich ein solches Vorkommnis nicht wiederholt”, unterstrich sie. Mit Schmidt habe sie gesprochen. Der Chef des Bundeskanzleramtes werde noch einmal darauf hinweisen, “dass diese Dinge im Rahmen der geschäftsführenden Bundesregierung genauso einzuhalten sind”. Bei rund einem Viertel bis einem Drittel der Abstimmungen in Brüssel gebe es Enthaltungen wegen fehlender Einigkeit der Ressorts, sagte Merkel. “Autoritätsverlust greifbar”Hendricks hatte von Merkel am Dienstagmorgen im Deutschlandfunk eine “vertrauensbildende Maßnahme” gefordert, aber trotz wiederholter Nachfragen im Interview offen gelassen, was genau sie erwartet. Die Forderung nach einem Rücktritt Schmidts, die erhoben worden war, unterstützte sie nicht. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider griff Merkel direkt an. Das Kanzleramt sei offensichtlich derzeit nicht in der Lage, seine Aufgaben wahrzunehmen. “Der Autoritätsverlust der Bundeskanzlerin ist greifbar geworden und beschädigt die vertrauensvolle und reibungslose Zusammenarbeit in der Bundesregierung”, sagte der Schneider, laut dpa-afx. “Solche chaotischen Abläufe sind für das größte Land in der EU völlig inakzeptabel.” Am Donnerstag kommen Merkel sowie die Parteivorsitzenden von SPD, Martin Schulz, und CSU, Horst Seehofer, bei Steinmeier zum Gespräch zusammen, um eine Regierungsbildung zu sondieren. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles war bereits gestern in Schloss Bellevue.Der Industrieverband BDI dringt auf eine zügige Entscheidung zur Regierungsbildung. Dies sei wichtiger als die konkrete Konstellation, sagte Industriepräsident Dieter Kempf im Deutschlandfunk. Die neue Regierung müsse möglichst schnell gebildet werden. “Das brauchen wir in Europa und in der Welt”, sagte Kempf. “Das Motto jetzt muss heißen: Große Koalition ja, aber nicht um jeden Preis.” Die Industrie habe aber auch mit einer Minderheitsregierung “keine Probleme”.