NOTIERT IN SYDNEY

Spendenbüchsen statt Trinkgeld

Nach den monatelangen Waldbränden in Australien haben zwar schwere Regenfälle der Katastrophe ein Ende bereitet, die Nachwirkungen werden auf dem fünften Kontinent aber noch lange zu spüren sein. Noch steht keinesfalls fest, wie hoch die Schäden der...

Spendenbüchsen statt Trinkgeld

Nach den monatelangen Waldbränden in Australien haben zwar schwere Regenfälle der Katastrophe ein Ende bereitet, die Nachwirkungen werden auf dem fünften Kontinent aber noch lange zu spüren sein. Noch steht keinesfalls fest, wie hoch die Schäden der in ihrer Ausbreitung einmaligen Feuersbrunst sind. Und das nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht. Psychologen und Sozialforscher befürchten, dass viele Einwohner auf Jahre hin traumatisiert sein könnten. Mehr als zwei Monate lang waren die immer extremer werdenden Feuer Gesprächsthema Nummer 1 in Familien und am Arbeitsplatz, obwohl die Brände keine der australischen Großstädte erreichten.Viele Australier fühlten sich um “ihren Sommer” betrogen, jene Zeit von Weihnachten bis zum Nationalfeiertag am 26. Januar, in der Australier traditionell wenig arbeiten und viel feiern. Hundertausende blieben diesmal lieber zu Hause und verfolgten die Nachrichten vor dem Fernseher, nicht zuletzt, weil viele ihrer Urlaubsgebiete außerhalb der Metropolen den Feuern ausgesetzt waren. So etwa die normalerweise beliebten Ferienorte südlich von Sydney, wo es besonders heftig brannte. Diese Orte sind nun gleich doppelt gestraft: Zuerst durch die Flammen und den finanziellen Verlust durch die ausgebliebenen Urlauber in der Hochsaison. Aber selbst nach dem Ende der Katastrophe (und der Sommerferien) trauen sich die Touristen noch nicht in die betroffenen Gebiete. “Wir haben geöffnet”, heißt es nun überall in dem verzweifelten Versuch, ihre Landsleute davon zu überzeugen, dort wieder Geld auszugeben. Noch schwerer ist es natürlich, Besucher aus dem Ausland zurückzugewinnen, die möglicherweise nicht einmal verstehen, dass Sehenswürdigkeiten wie das Great Barrier Reef, der Ayers Rock oder das Opernhaus in Sydney von den Feuern nicht betroffen waren.Nach bisherigen Erkenntnissen sind zwischen 8 und 10 Mill. Hektar Wald und Busch verbrannt. Der Schaden durch die rauchgeschwängerte Luft in den Großstädten lässt sich wohl erst in Jahren einschätzen. Australiens Steuerzahler kostet die Katastrophe mindestens 2 Mrd. australische Dollar (1,3 Mrd. Euro). So viel hat Premierminister Scott Morrison für den Wiederaufbau in Aussicht gestellt. Wohl auch, um seine politische Haut zu retten, leistete er sich doch peinliche Schnitzer wie einen Hawaii-Urlaub, während weite Teile seines Landes in Flammen standen. Sogar eine Abkehr vom viel beschworenen Haushaltsplus nehmen seine Konservativen in Kauf.Groß ist auch die Spendenbereitschaft. Rekordhalter ist der Milliardär Andrew Forrest, der mit seiner Eisenerz-Firma Fortescue Metals Group reich geworden ist. Er spendete 70 Mill. australische Dollar (43 Mill. Euro), unter anderem für eine “Einsatzbrigade” zur Bekämpfung der Buschfeuer. Andere Unternehmer wie der in Australien geborene Medien-Mogul Rupert Murdoch (umgerechnet 5,5 Mill. Euro) oder Unternehmen wie der Rohstoffkonzern BHP (1,3 Mill. Euro) leisteten ebenso einen Beitrag wie große australische Banken.Auch gewöhnliche Bürger spendeten Millionen. Selbst jetzt, mehr als einen Monat nach dem Ende der schlimmsten Feuer, wird noch überall gesammelt. In kleinen Kneipen stehen häufig Sammelbüchsen auf dem Tresen, anstelle von Trinkgeld bitten Wirte um Spenden. Auch in Banken, Geschäften, Schulen und Büros wird gesammelt.Viele Prominente schlossen sich an. Leonardo DiCaprios Umweltschutz-Organisation Earth Alliance gab umgerechnet 2,6 Mill. Euro, der englische Sänger Elton John und der australische Schauspieler Chris Hemsworth überwiesen je 650 000 Euro, die Hardrockband Metallica 460 000 Euro, die australische Schauspielerin Nicole Kidman und die US-Sängerin Pink je 325 000 Euro. Am Sonntag brachte ein zehn Stunden dauerndes Konzert vor 75 000 Zuschauern im ausverkauften Olympiastadion in Sydney weitere fast 10 Mill. Dollar (6,5 Mill. Euro) in die Kassen. Auf der Bühne standen der mittlerweile 73 Jahre alte “Schockrocker” Alice Cooper, die Rockgruppe Queen, die kanadische Singer-Songwriterin K.D. Lang und viele lokale Größen.Einen Haken aber hat die enorme Hilfsbereitschaft: Wie so oft in diesen Situationen beschwerten sich wohltätige Organisationen, dass Spendensammeln für andere Zwecke beinahe unmöglich war.