Staatenrating 2018: Überdosis Optimismus

Ratingagenturen erwarten eine Wende zum Besseren bei der Bonitätsbeurteilung von Ländern - Politische und ökonomische Überraschungen möglich

Staatenrating 2018: Überdosis Optimismus

Die günstigen konjunkturellen und geldpolitischen Umstände haben die Schuldentragfähigkeit erhöht. Die Chance für eine Haushaltskonsolidierung wurde aber kaum genutzt. Im Falle einer neuen Finanzkrise würden die bisher erreichten Ratingverbesserungen schnell wieder verfliegen.Von Stephan Lorz, FrankfurtDie Bonität der Staaten wird sich 2018 so stark verbessern, wie man es kaum mehr für möglich gehalten hatte: Erstmalig seit zehn Jahren gibt es aktuell schon mehr positive als negative Ausblicke, signalisieren die Ratingagenturen Fitch sowie Standard & Poor’s (S & P). Letztere erwartet daher, dass sich die Herauf- und Herabstufungen der Bonitätsnoten 2018 endlich wieder die Waage halten. Zuvor war es im Saldo über viele Jahre nach unten gegangen.Der positive Eindruck wird gestützt durch die guten Wachstumsprognosen. Die Ökonomen verweisen auf die blendenden Konjunkturaussichten, die Entspannung auf den Arbeitsmärkten, den stärkeren Konsum und die anziehenden Investitionen. Außerdem gibt es noch immer einen spürbaren Wachstumsimpuls durch höhere Staatsausgaben und die Geldpolitik der Notenbanken. Anleihekäufe und niedrige Zinsen geben den Staaten nämlich mehr finanziellen Spielraum und stärken zugleich ihre Schuldentragfähigkeit.Nach Jahren deprimierender Analysen über den Zustand vieler Volkswirtschaften und der Fokussierung auf die Bekämpfung diverser ökonomischer Krisen scheinen so manche Ökonomen aber dem Frieden nicht zu trauen. Sie suchen nach “schwarzen Schwänen”, denkbar seltenen Ereignissen, die den Ausblick doch noch verdunkeln könnten. Sie sind nämlich gebrannte Kinder: Noch am Vorabend der Finanzkrise hatten die meisten seinerzeit die Entwicklung einfach fortgeschrieben und wurden dann von der tiefen Krise überrascht. Niemand möchte deshalb mehr den vorliegenden Frühindikatoren und Konjunkturumfragen so einfach Glauben schenken. Vorsicht vor JubelprognosenDarum wird den konjunkturellen Jubelprognosen inzwischen immer ein Set an Risikoeinschätzungen gegenübergestellt – und das so deutlich präsentiert wie nie zuvor. Sie beginnen meist mit der Geldpolitik. Die befindet sich mitten in einer Zinswende, was auf die Finanzmärkte durchschlagen, zu einem Stimmungseinbruch führen und über die Wechselkurse viele von Auslandsinvestitionen abhängige Länder in Schwierigkeiten bringen könnte. Auch die Nebenwirkungen der langjährigen Niedrig- und Negativzinspolitik werden thematisiert. Die auf diese Weise entstandenen Spekulationsblasen könnten platzen, Investitionen und der Konsum würden sinken. Fertig ist die nächste Finanz- und Wirtschaftskrise; tiefer und zerstörerischer als zuvor, da Notenbanken und Staaten ihre Munition verschossen haben, um sich dann gegen eine Rezession lehnen zu können.Womöglich erleben wir aber auch eine Wiederkehr der Inflation in einem unerwarteten Ausmaß. Seit längerem sinnieren Ökonomen darüber, warum sich die Teuerung trotz der ultralockeren Geldpolitik nicht einstellt. Sie führen hierfür psychologische (Verunsicherung durch die Finanzkrise) und strukturelle Gründe (Demografie, Digitalisierung, Migration) an. Vielleicht versteckt sie sich auch nur in den Aktien- und Immobilienpreisen und kommt erst mit Verzögerung in der Realwirtschaft an – dann aber umso stärker. Das würde mit enormen ökonomischen Verwerfungen einhergehen und viele Kalkulationen über den Haufen werfen.Nach wie vor ist die Verschuldung der entscheidende Bonitätsfaktor. Das gilt nicht nur für die westlichen Staaten, die trotz der für sie günstigen geldpolitischen Umstände es versäumt haben, in den Aufschwungjahren die Defizite auf breiter Front zu senken und den Schuldenaufbau zu stoppen, sondern auch für viele Emerging-Markets-Länder. Dort hat die Verschuldung nicht nur im öffentlichen, sondern auch im privaten Sektor rasant zugelegt.Und über all den Konjunkturhymnen für 2018 schwebt natürlich das Damoklesschwert der politischen Risiken: Genannt werden etwa die Auswirkungen der US-Steuerreform oder der handelspolitische Konfliktkurs, den die USA gegenüber China und den westlichen Partnerländern fahren. Außerdem wird auf den Brexit hingewiesen, und schließlich könnte die EU vor einer neuen Bewährungsprobe stehen mit den Wahlen in Italien und den Sezessionstendenzen in einigen Ländern. Von den globalen Krisen, die von Nahost, dem ukrainischen Donbass und von Nordkorea ausgehen, ganz zu schweigen. Unsicherheiten nehmen zuBislang spielen diese Risiken aber allenfalls in ökonomischen Zirkeln eine Rolle, wo man sich argumentativ eine Rückfallposition wahrt. An den Märkten ist es nämlich kein Thema: Die Volatilität ist niedrig – trotz durchaus wahrgenommener großer politischer Unsicherheit (siehe Grafik). Kommt es dann anders als kalkuliert, wäre die Überraschung riesengroß, was für sich genommen die Lage noch weiter zuspitzen würde. Insofern ist es durchaus ratsam, die rosarote Brille in der aktuellen Phase des ökonomischen Zyklus immer wieder einmal abzunehmen.