Staatsschuldner anfälliger für Schocks

OECD sieht kürzere Laufzeiten kritisch - Zweifel an Nutzen von Ratingagenturen - Notenbank-Exit als Risiko

Staatsschuldner anfälliger für Schocks

Die Risikoaversion der Investoren hat zugenommen und wird nach Einschätzung der OECD noch lange anhalten. Die Urteile der Ratingagenturen halten die Ökonomen dabei für wenig relevant und beachtenswert. Notenbanken hätten die Verunsicherung an den Märkten zuletzt zwar etwas gedämpft, würden dabei aber Gefahr laufen, ihre eigentlichen Aufgaben aus den Augen zu verlieren, warnt die Industrieländerorganisation.Von Stephan Lorz, Frankfurt Die Verschuldungsstruktur vieler hoch verschuldeter Industrieländer hat sich nach Meinung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in den vergangenen Jahren verändert und die Staaten anfälliger gemacht gegenüber Schocks. Dies ist zum einen am Rückzug von ausländischen Investoren in einigen Ländern abzulesen, zum anderen an der Verkürzung der durchschnittlichen Laufzeit der Staatsbonds. Das erschwere die Anschlussfinanzierung für auslaufende Darlehen, heißt es im “Sovereign Borrowing Outlook”.Wie die OECD darlegt, wird die Bruttokreditaufnahme der OECD-Länder im laufenden Jahr mit 10,9 Bill. US-Dollar etwas höher ausfallen als noch 2012. Zuletzt lag sie bei 10,8 Bill. US-Dollar. Immerhin werde die Defizitquote von 5,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2012 auf 4,6 % zurückgehen; die Staatsschuldenquoten steigen nach dieser Projektion aber weiter von 75,9 % auf 77,9 % des BIP.Grundsätzlich sind die Investoren nach Beobachtung der OECD im Hinblick auf die Staatsschuldenrisiken sensibler geworden, was sich etwa an der gestiegenen Volatilität im Markt, den höheren Zinsen für bestimmte Länder und dem schnellen Rückzug von Investments ablesen lasse. Dabei zeigen die OECD-Ökonomen auf, dass nicht ganz klar ist, was eigentlich die richtigen Indikatoren für Staatsschuldenrisiken sind. Weder Credit Default Swaps (CDS), also Ausfallversicherungen, noch die Urteile der Ratingagenturen seien dafür geeignet.Die Stimmungsumschwünge der Finanzmärkte von der Euphorie zur Depression und retour würden durch die Ratingagenturen eher verstärkt, betonen die Ökonomen und verweisen auf eine Reihe von Studien. Die Ratingagenturen würden den Druck auf die Regierungen wohl weiter aufrechterhalten, dennoch empfehlen die Autoren des OECD-Berichts, “jegliche Herabstufung der Kreditwürdigkeit einzelner Staaten durch die Agenturen sorgfältig zu hinterfragen, da die Analyse der Institute in den vergangenen 20 Jahren häufig fehlerhaft war”. AnsteckungseffekteWas die Eurozone anbelangt, so erschweren Ansteckungseffekte die Emission von Staatspapieren. Die Zinskosten seien hoch, und die Verunsicherung betreffe auch Staaten, die stabilere Finanzen vorweisen könnten. Verstärkt würden die Probleme, weil Finanzakteure Staatspapiere vielfach nicht mehr als Kreditsicherheit einsetzen könnten. Viele Investoren würden zudem riskantere Staaten verlassen und “sichere Häfen” wie Deutschland ansteuern.Letzteres hat auch dazu geführt, dass der Anteil ausländischer Investoren in manchen Ländern deutlich gesunken ist. In Irland waren gemäß der OECD 2007 noch rund 93 % aller Bondholder Ausländer, 2012 aber nur noch 73 %. Ähnlich groß der Rückgang in Belgien (von 63 auf 47 %) und Spanien (von 46 auf 32 %). Deutschland – aber auch Frankreich – hat dagegen ausländische Investoren dazugewonnen (von 49 auf 57 % bzw. von 60 auf 63 %). Für die OECD-Ökonomen ist dies ein Zeichen eines sich wieder verstärkenden “home bias”. Dies enge zwar den Kreis der Investoren – und die zu erreichenden Volumina – deutlich ein, dafür aber seien heimische Investoren weniger volatil.Auch bei den durchschnittlichen Laufzeiten der Staatsbonds haben sich die Staaten nach Angaben der OECD auseinanderentwickelt, was auf die Refinanzierungsmöglichkeiten durchschlägt. Ein Land mit eher langem Laufzeitenprofil werde im Allgemeinen weniger von Zinsrisiken heimgesucht, weil es seltener an den Markt gehen müsse. Großbritannien und Chile fielen darunter – letztendlich auch deshalb, weil ein Großteil der Pensionen darüber abgesichert ist. Länder mit besserer fiskalpolitischer Situation, aber auch jene mit eher schlechteren Finanzen hätten ihre Laufzeiten indes verkürzt, um von niedrigen Zinsen zu profitieren. Das könnte sich später noch als problematisch herausstellen.Als eine “besondere Herausforderung” bezeichnet die OECD das zunehmende Engagement der Notenbanken auf den Kreditmärkten bei der Lösung der Staatsschuldenkrise. Umgekehrt würde ein – durchaus notwendiger – sukzessiver Rückzug der Notenbanken aus den unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen und den Staatsanleihekäufen die Emittenten vor “eine Reihe von Problemen” stellen. Das könnte die Nachfrage zunächst etwas dämpfen – mit allen Folgen für Zins und Volumen.