Stabilität ohne Geld
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy wuchert gerne mit seinem stärksten politischen Pfund: der politischen Stabilität. Im Gegensatz zu seinen Kollegen Enrico Letta in Italien und Pedro Passos Coelho in Portugal verfügt Rajoys konservative Volkspartei (PP) über eine wasserdichte absolute Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments und regiert in der Mehrzahl der Regionen. Selbst Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kann sich bei den Abstimmungen über die diversen Rettungsschirme ja nicht immer auf ihre Koalition verlassen.Auch der Absturz in der Wählergunst wird Rajoy vorerst nicht aus dem Sattel werfen. Laut jüngsten Umfragen hat die PP seit dem Wahlsieg Ende 2011 fast die Hälfte ihrer Stimmen verloren. Nur noch 17% der Befragten bescheinigen Rajoy, gute Arbeit zu leisten. Doch bis zu den nächsten Wahlen hat der Ministerpräsident noch zweieinhalb Jahre Zeit. Einige seiner Parteigenossen jedoch nicht. Viele der Provinzfürsten der PP zittern um ihre Wiederwahl. Die interne Kritik ist in den vergangenen Wochen für die sonst so disziplinierten Konservativen recht laut geworden. Die frühere Ministerpräsidentin der Region Madrid, Esperanza Aguirre, lange Jahre Rajoys schärfste Widersacherin, hat mehrfach die Steuererhöhungen kritisiert. Aguirre, die sich gerne als spanische Margaret Thatcher bezeichnen lässt, führt den liberalen Flügel in der PP, der allerdings an Einfluss verloren hat.Ernster sind dagegen die Beschwerden einiger PP-Regierungschefs in den Regionen. Brüssel hat Spanien zwei Jahre Aufschub bei der Erfüllung des Defizitziels gewährt und die Regionalregierungen, denen das Wasser bis zum Hals steht, wollen, dass Madrid ihnen auch mehr Luft beim strammen Konsolidierungskurs gönnt. Was die Lage verschärft, ist der Verdacht, dass Rajoy dieser Tage mit den konservativen Nationalisten, die in Katalonien an der Macht sind, verhandelt, um den Separationsströmungen in diesem Landesteil entgegenzuwirken. Was unter anderem den Wunsch nach Unabhängigkeit der Katalanen beflügelt, ist das Gefühl, beim Finanzausgleich zwischen Staat und Regionen über den Tisch gezogen zu werden. Wie die Bayern klagen auch die Katalanen ständig, dass ihnen zu viel Solidarität aufgezwungen wird. Rajoy möchte nun offenbar dieses Argument entschärfen und könnte daher die Sparauflagen für Katalonien aufweichen. Für José Antonio Monago, den konservativen Regierungschef von Extremadura im Westen Spaniens, sind solche Bevorzugungen inakzeptabel. Man dürfe nicht Regionen wie seine, welche die Defizitvorgaben erfüllt haben, bestrafen, beklagte er am Montag in aller Öffentlichkeit. *Als würden die Spanier nicht schon selbst genug über die Wege aus der Krise debattieren, kommen dieser Tage wieder reihenweise kluge Vorschläge aus Brüssel, Berlin und Paris. Einig sind sich alle Beteiligten nur darüber, dass eines der gravierendsten Probleme der spanischen Wirtschaft die mangelnde Kapitalausstattung der mittelständischen Unternehmen ist, da der Kredithahn der Banken weiterhin fest verschlossen bleibt. Das führt zu absurden Fällen. Edse Inventiva, eine kleine Firma aus Katalonien, gewann 2012 eine Ausschreibung der Stadt Kopenhagen, um 11000 Einheiten eines neuen Modells für das öffentliche Mietfahrradsystem zu liefern. Die Katalanen bestachen mit dem robusten Aluminiumgestell des Zweirads, das über GPS und Elektromotor verfügt. Doch Firmenchef und Gründer Eduard Sentís ging auf der Suche nach Kreditgebern oder Investoren leer aus. Letztlich sah er sich gezwungen, die Produktion an eine dänische Firma weiterzuverkaufen. “Alle diese Fahrräder hätten hier gebaut werden können”, erklärte der Unternehmer gegenüber der Presse.Während Politiker an die Banken appellieren, endlich der Realwirtschaft Liquidität zu geben, haben die Aufseher Verständnis für die Zurückhaltung. “So wie sich die Zahlungssäumigkeit entwickelt, kann ich verstehen, dass die Banken zurückhaltend agieren”, sagt ein für die Regulierung zuständiger Leiter der spanischen Notenbank, der nicht namentlich genannt werden will. “Kein Aufseher wird seine Banken dazu zwingen, Kredite zu verteilen, wenn die Nachfrage nicht zahlungskräftig ist.”