Steigende Ungewissheit belastet Staatenratings

Unberechenbarkeit der Politik und Handelskonflikte rücken in den Fokus der Bonitätswächter - Up- und Downgrades sollten sich dennoch die Waage halten

Steigende Ungewissheit belastet Staatenratings

Die Ratingagenturen sorgen sich zunehmend um politische Unberechenbarkeiten, die sich negativ auf die Kreditwürdigkeit von Staaten auswirken könnten. Derweil wachsen die Schulden in einigen Schwellenländern besorgniserregend an. Die Zeiten werden unruhiger. Von Archibald Preuschat, FrankfurtDie besten Zeiten für die Bonität von Staaten sind wohl vorüber. Was den großen Ratingagenturen Sorge bereitet, ist insbesondere eine wachsende politische Unsicherheit – nicht zuletzt hervorgerufen durch die von US-Präsident Donald Trump angezettelten Handelskonflikte, mit China und womöglich auch bald mit der Europäischen Union.”Ein disruptives und unberechenbares innen- wie geopolitisches Umfeld verschärft die graduelle Abschwächung des weltweiten Wirtschaftswachstums, hebt langjährige strukturelle Schwächen hervor und verschärft das Risiko wirtschaftlicher und finanzieller Schockereignisse”, warnt die US-Ratingagentur Moody’s in ihrem Ausblick auf die Kreditwürdigkeit globaler Staatsanleihen 2020. Zwar seien die direkten Effekte von Handelskonflikten in Form von gegenseitigen Strafzöllen für sich genommen womöglich noch nicht gravierend, so Moody’s. Doch hätten Zweitrundeneffekte wie ein negativer Einfluss auf Investitionen und Kapitalflüsse durchaus das Zeug, das Wachstum sowohl kurz- als auch mittelfristig zu dämpfen.Mit dieser Sorge steht Moody’s nicht allein da. “Wir erwarten, dass politische und geopolitische Entwicklungen – Handelskonflikte, Unruhen, populistische Bewegungen – ein Hauptrisiko für Sovereign Ratings in den nächsten Monaten sind”, sagte Christian Esters, Senior Director Sovereigns and International Public Finance Ratings bei Standard & Poor’s (S&P), der Börsen-Zeitung.Neben den Handelskonflikten ist es vor allem eine zunehmend populistische Tendenz in der Politik, die die Ratingagenturen beunruhigt. “Nach unserer Beobachtung ist die Reaktion von vielen Regierungen auf Protestbewegungen, die Staatsausgaben und damit die Defizite zu erhöhen. Wir denken, dass Regierungen weltweit eine Politik verfolgen, die an einer Maximierung von Wählerstimmen orientiert ist”, so Esters.Politische Schocks im Jahr 2019 wirken auch auf die wirtschaftliche Entwicklung 2020 nach. Als prominenteste Beispiele hebt James McCormack, Head of Sovereign Ratings bei der US-Ratingagentur Fitch, die Unruhen in Hongkong und Chile hervor.Dass dank der lockeren Geldpolitik vieler Notenbanken rund um die Welt Geld billig zu haben ist, macht es nicht besser. Dieser Umstand gepaart mit unsicherer werdenden politischen Mehrheiten führt zu nachlassenden Reformanstrengungen. Dabei ist es mitnichten so, dass geringere Zinsen einen positiven Effekt auf den Schuldenstand im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt haben. Höhere Zinslast”Viele Schwellenländer haben sich in den vergangenen Jahren aufgrund der günstigen Finanzierungskonditionen, oder etwa im Fall der Golfstaaten aufgrund der durch den Ölpreisverfall hervorgerufenen fiskalischen Ungleichgewichte, zunehmend an den internationalen Märkten verschuldet”, so Ratingexperte Esters von S&P. Trotz niedriger Zinsen steigt deshalb der Schuldendienst dieser Länder.Aber auch in Europa – mit Ausnahme von Deutschland – sieht es nicht viel besser aus. Ein Grund dafür, dass die Bonitätsnoten zumeist noch unter dem Niveau zur Zeit der Weltfinanzkrise vor gut zehn Jahren liegen.Dabei war 2019 für Staatenratings noch ein gutes Jahr. Moody’s etwa nahm mehr Heraufstufungen als Herabstufungen vor – auch getrieben durch eine höhere Kreditwürdigkeit europäischer Staaten. “Doch der Ausblick dreht von stabil zu negativ”, warnen die Bonitätswächter mit Blick auf dieses Jahr. Auch S&P prophezeit, dass die Jahre, in denen mehr Staatsanleihen herauf- als herabgestuft wurden, vorbei sind. Jeweils 10 % der 135 von S&P beurteilten Sovereigns haben einen positiven Ausblick – ebenso viele aber auch einen negativen.Fitch hat derzeit drei Viertel ihrer Staatenratings mit einem stabilen Ausblick versehen, was eine Änderung der Bonitätsnote 2020 zumindest nicht sehr wahrscheinlich macht. Gleichwohl gibt es starke regionale Unterschiede. Ein Brennpunkt ist Lateinamerika, wo eine außergewöhnlich hohe Zahl von Staatenratings mit einem negativen Ausblick versehen ist.Es könnte aber auch in zwei Ländern zu positiven Überraschungen kommen. So hat Fitch Österreich und Finnland mit einem “AA+”-Rating und positivem Ausblick versehen. Sollten beide Länder eine Heraufstufung erfahren, so wäre es das erste Mal seit 2011, dass Staaten ihren verloren gegangenen “AAA”-Status wiedererlangen können.