Steuereinnahmen wachsen geringer
Die Steuerschätzer sagen für die nächsten vier Jahre weiter steigende Steuereinnahmen voraus. Sie wachsen nur deutlich langsamer als bisher erwartet. Der Bundesfinanzminister hält keine größeren Einschnitte im Budget für nötig. Es habe genug “Luft”, um die schwarze Null im Etat auch jetzt noch zu halten. wf Berlin – Bund, Länder und Gemeinden müssen bei ihren Erwartungen an die Steuereinnahmen in den kommenden Jahren deutliche Abstriche machen. Von 2019 bis 2023 nehmen die Gebietskörperschaften zusammen 124 Mrd. Euro weniger ein als im Oktober vergangenen Jahres noch prognostiziert. Rund 74 Mrd. Euro davon sind eine Folge der konjunkturellen Abschwächung. Dies ergab die Tagung des Arbeitskreises Steuerschätzung, bei der die Prognose vom Oktober überprüft wurde. Die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr nur noch mit einem Wachstum von 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). 2020 soll das BIP wieder um 1,5 % steigen. Die übrigen Einbußen in der Prognose sind die Folge von Steuerrechtsänderungen, die die Schätzer erst in ihre Kalkulation einbeziehen, wenn die Gesetzgebung abgeschlossen ist. In der Haushaltsplanung ist dies in der Regel schon berücksichtigt.Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zeigt sich wenig beeindruckt von den Zahlen der Schätzer. “Es bleibt ein Wachstum, wenn auch wie gesagt ein geringeres Wachstum”, sagte Scholz vor der Presse in Berlin. Bis 2023 steigen die gesamten Steuereinnahmen von 794 Mrd. Euro in diesem Jahr auf 908 Mrd. Euro. Beim Bund legen die Einnahmen von 324 Mrd. Euro (2019) auf 360 Mrd. Euro (2023) zu (siehe Tabelle). Nicht nur die Folgen der Steuerrechtsänderungen habe der Bund in seine Planung schon einbezogen, dies gelte auch für die abgeschwächte Konjunktur, macht Scholz deutlich.Während sich die Minus-Korrektur der Schätzer für den Bund in den Jahren 2020 bis 2023 auf rund 61 Mrd. Euro summiert, fehlen dem Minister zufolge gegenüber den Eckwerten der mittelfristigen Finanzplanung für den Bundeshaushalt von 2020 an nur 10,5 Mrd. Euro: 1,6 Mrd. Euro im nächsten Jahr, dann 2,8 Mrd. Euro (2021), 2,7 Mrd. Euro (2022) und 3,4 Mrd. Euro (2023). Dies lasse sich gut bewältigen. An der “schwarzen Null”, einem Haushalt ohne Nettokreditaufnahme, hält Scholz in Absprache mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fest. “Die Aufgabe ist da”, sagte der SPD-Politiker mit Blick auf das engere Finanzkorsett. Aber die Aufgabe sei “überschaubar”. Alle müssten gemeinsam daran arbeiten, mahnte er – in die eigenen Reihen und an den Koalitionspartner, aber auch an die Bundesländer gerichtet. Ohne neue SchuldenAuch im laufenden Jahr seien die unter der Erwartung liegenden Steuereinnahmen ohne neue Schulden und weitere Maßnahmen verkraftbar, macht Scholz deutlich. “So viel Luft haben wir uns gelassen”. Die Steuerschätzer korrigierten die Steuereinnahmen aller Gebietskörperschaften in diesem Jahr um 10,9 Mrd. Euro nach unten. Beim Bund bleibt die Schätzung um 9,9 Mrd. Euro hinter dem Oktober-Wert zurück, bei den Ländern liegt sie aber 2,0 Mrd. Euro darüber. Die Gemeinden müssen mit 600 Mill. Euro weniger auskommen als noch im vergangenen Oktober vorausgesagt. An die EU werden 2,4 Mrd. Euro weniger abgeführt. Expansive FiskalpolitikNeue konjunkturstimulierende Maßnahmen hält der Minister nicht für nötig. Die Finanzpolitik sei weiterhin expansiv. Der Bundeshaushalt wachse in diesem und den nächsten Jahren. Zudem seien genügend Mittel vorhanden, um die Vorhaben der großen Koalition für den sozialen Zusammenhalt und Investitionen in die Zukunft zu finanzieren. Die sogenannten prioritären Maßnahmen der schwarz-roten Koalition, darunter der Abbau des Solidaritätszuschlags in einem ersten Schritt, seien alle in der Finanzplanung berücksichtigt. An den von der SPD stark vorangetriebenen Plänen zu Einführung einer Grundrente ohne Bedürfnisprüfung hält Scholz trotz neuer Finanzlage fest. Die Kosten dafür sind noch nicht eingeplant. Zugleich bekräftigte er die schon weit gediehene Absicht, Forschung in Firmen steuerlich zu fördern. Dies entlaste die Unternehmen, sagt er. Auf Forderungen nach einer allgemeinen Unternehmenssteuerreform ging Scholz nicht ein. Er verwies allenfalls auf “unlogische” Regelungen, die korrekturbedürftig seien, weil Personen- schlechter als Kapitalgesellschaften gestellt seien.Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) forderte indessen eine stärkere Unterstützung der Wirtschaft. Der geringere Zuwachs an Steuereinnahmen sei kein Drama, sagte Brinkhaus laut Nachrichtenagentur dpa-afx. Aber: “Die Jahre, in denen alles irgendwie automatisch gelaufen ist, sind jetzt erstmal vorbei.” Die Politik müsse sich nun stärker darauf ausrichten, den wirtschaftlichen Bereich in Deutschland “besser in den Wind zu stellen”. Nötig sei eine Unternehmenssteuerreform, die auch die Verlässlichkeit des Steuersystems sichere und die IT-Anbindung der Finanzämter stärke. Bei der Rente könne nicht für die nächsten 20 Jahre alles versprochen werden, sagte Brinkhaus. Der Industrieverband BDI verlangte, die Unternehmenssteuerreform auf die Agenda zu setzen. Die Belastung dürfe bei maximal 25 % liegen.