Steuerschätzer sagen Löcher voraus

Scholz sieht Finanzen "fest im Griff" - Vor allem Steuerhilfen in der Coronakrise drücken die neue Prognose

Steuerschätzer sagen Löcher voraus

Die Steuerschätzer haben besonders für den Bund schlechte Nachrichten für die Steuereinnahmen in der Coronakrise. Vor allem sind es aber Änderungen im Steuerrecht – wie die temporäre Mehrwertsteuersenkung -, die die Zahlen noch einmal schlechter aussehen lassen als bisher. wf Berlin – Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) versprühte Hoffnung, als er in Berlin die neuen Zahlen der Steuerschätzer kommentierte. “Die Steuerschätzung zeigt: Wir haben die Finanzen im Griff”, sagte Scholz vor der Presse in Berlin. 2021 werde noch eine erhebliche Neuverschuldung nötig sein und auch wieder eine Ausnahme von der Schuldenbremse, machte er deutlich. Ob die Schuldenbremse 2022 wieder eingehalten werden kann, bleibt Scholz zufolge sein Wunsch. Der Bundestag hatte nach Jahren ausgeglichener Haushalte wegen der Coronakrise 2020 einen Nachtragshaushalt mit einer Nettokreditaufnahme von 218 Mrd. Euro genehmigt. Für 2021 kursieren Spekulationen, dass der Bund mindestens weitere 80 Mrd. Euro benötigt, jedoch unter 100 Mrd. Euro bleiben will. Das Kabinett entscheidet, in diesem Jahr verspätet, am 23. September über den Etatentwurf 2021 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2025.Die Interimssteuerschätzung sollte mehr Licht in die Finanzentwicklung in der Coronakrise bringen, nachdem die Schätzer zuletzt regulär im Mai zusammengetreten sind und sich turnusgemäß erst wieder im November treffen. Der Bund wird nach der aktuellen Schätzung in diesem Jahr 275,3 Mrd. Euro einnehmen, rund 54 Mrd. Euro weniger als 2019. 2021 wird ein deutliches Plus auf 295,2 Mrd. Euro erwartet. Bund, Länder, Gemeinden und die EU bleiben mit 717,2 Mrd. Euro in diesem Jahr um 82 Mrd. Euro hinter den Einnahmen von 2019 zurück. 2021 ziehen die Steuereinnahmen wieder auf 772,9 Mrd. Euro an. “Volkswirtschaft robust” “Die Mindereinnahmen bewegen sich im erwarteten Rahmen”, sagte Scholz. Ausschlaggebend ist, dass die Schätzer keinen weiteren konjunkturellen Rückgang im Vergleich zur Mai-Schätzung feststellen – im Gegenteil. “Es scheint so zu sein, dass die deutsche Volkswirtschaft ziemlich robust ist”, sagte Scholz. Bund und Ländern hatten den Unternehmen wegen der Krise die Möglichkeit von Steuerstundung und Verlustrücktrag eingeräumt, um die Liquidität in den Unternehmen zu sichern. Viele Unternehmen hätten die Steuerstundung nicht in dem erwarteten Ausmaß in Anspruch genommen, erläuterte Scholz. Für 2020 bedeutet dies nun Mehreinnahmen von 25,5 Mrd. Euro bei Bund, Ländern und Gemeinden im Vergleich zur Mai-Schätzung. Durch diese Entwicklung fehlen den Gebietskörperschaften 2021 rund 3,3 Mrd. Euro in der Kasse, die die Schätzer im Mai noch erwartet hatten. Die unverhofften Einnahmen in diesem Jahr mildern beim Bund nur eine große Lücke, die vor allem die Mehrwertsteuersenkung reißt. Diese war im Mai noch nicht eingerechnet. Die Ausfälle für die temporär reduzierten Sätze schultert der Bund allein. Ihm fehlen 2020 damit 22,8 Mrd. Euro durch Steuerrechtsänderungen in der Kasse. Kompensiert durch die unerwarteten Einnahmen bleibt für 2021 eine Lücke von 9,2 Mrd. Euro für den Bund im Vergleich zur Mai-Schätzung und 2021 von 10,6 Mrd. Euro.Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Eckhardt Rehberg, warnte: “Die Haushaltslage des Bundes bleibt angespannt.” Noch nicht berücksichtigt seien die Kindergelderhöhung und die Entlastungen bei der Einkommensteuer ab 2021. Zugleich forderte Rehberg: “Die Ausnahme von der Schuldenbremse darf nicht zum Dauerzustand werden.” Zudem dürfe es keine weitere Verschiebung von Steueraufkommen an Länder und Kommunen zulasten des Bundes geben. “Der Anteil des Bundes am Steueraufkommen darf nicht weiter sinken, wenn der Bund seine eigenen Aufgaben solide finanzieren will”, mahnte der CDU-Politiker. Durch Neuverteilung übersteigt das Aufkommen der Länder inzwischen deutlich das des Bundes. Zudem wird der Bund erst 2023 das Steueraufkommen von 2019 wieder erreicht haben, bei Ländern und Kommunen gelingt dies bereits 2021.