Ifo-Umfrage

Stimmung im Wohnungsbau auf dem Tiefpunkt

Die Lage im deutschen Wohnungsbau ist dramatisch: Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt, wegen steigender Finanzierungskosten und höherer Baupreise kommt es zu mehr Stornierungen. Und Neuaufträge werden Mangelware.

Stimmung im Wohnungsbau auf dem Tiefpunkt

Miese Stimmung im Wohnungsbau

Ifo-Klima so trübe wie noch nie – Stornierungswelle rollt seit Frühjahr 2022

ba Frankfurt

Die Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) und die rasanten Baupreissteigerungen haben die Stimmung im deutschen Wohnungsbau in den Keller geschickt. Die jüngste Ifo-Umfrage zeigt nicht nur, dass das Geschäftsklima in der lange Jahre boomenden Branche so schlecht ist wie noch nie, sondern auch den immer eklatanter werdenden Auftragsmangel und die zunehmende Stornierungswelle.

„Viele Projekte nicht mehr wirtschaftlich“

Laut dem Ifo-Institut berichteten im September 21,4% der Unternehmen im Wohnungsbau von stornierten Projekten. Im August waren es 20,7%, das langfristige Mittel liegt bei 3,5%. „Viele Projekte sind wegen der höheren Zinsen und gestiegenen Baukosten nicht mehr wirtschaftlich umsetzbar“, erklärte Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo Umfragen. „Die Wohnungen, die heute nicht begonnen werden, werden uns in zwei Jahren auf dem Mietmarkt fehlen.“

Das Ifo-Geschäftsklima im Wohnungsbau notiert mittlerweile bei minus 54,8 Punkten. Dies ist der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebung im Jahr 1991. Zum Vergleich: Die Höchstwerte mit etwas über 30 Zählern wurden in den Jahren 2018 und 2019, also kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie erreicht. Seit Beginn der Pandemie sind allerdings die Baukosten für Wohngebäude um mehr als 40% gestiegen. Als Kostentreiber gelten laut der Ifo-Studie neben den gestiegenen Materialkosten insbesondere hohe Nachhaltigkeitsstandards sowie langwierige und kostspielige Genehmigungsprozesse.

Lage auf dem Wohnungsmarkt angespannter denn je

Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft müssten Bauherren derzeit 17,50 Euro Kaltmiete je Quadratmeter verlangen, um wegen der gestiegenen Baukosten überhaupt einen Gewinn erzielen zu können. Entsprechend entstünden zu wenige neue Wohnimmobilien und die Situation auf dem Wohnungsmarkt sei angespannter denn je.

Seit dem Frühjahr 2022 war in den monatlichen Ifo-Umfragen dann „auffällig häufig von Auftragsstornierungen die Rede“, berichten die Münchener Wirtschaftsforscher. Im April 2022 meldeten erstmals über 10% der Befragten stornierte Projekte – ein Niveau, das seit Einführung der Frage im Januar 2012 noch nie beobachtet worden war.

Auftragsmangel verschärft sich

Zudem stockt auch der Bestellfluss gewaltig: 46,6% der monatlich befragten Unternehmen klagten über mangelnde Aufträge, nach 44,2% im August. „Das ist eine Verdreifachung innerhalb der letzten zwölf Monate. Die Entwicklung ist dramatisch“, kommentierte Wohlrabe. „Die Rahmenbedingungen für den Neubau sind jedenfalls mehr als schwierig.“ Die Umfrage wurde allerdings noch vor dem Wohnungsbaugipfel Ende September durchgeführt. Die Ampel-Koalition hatte ein Paket mit 14 Maßnahmen geschnürt, darunter schon zuvor bekannte neue Abschreibungsmöglichkeiten. 400.000 neue Wohnungen jährlich hatte sich die Ampel-Koalition zu Beginn ihrer Amtszeit als Ziel gesetzt. Studien lassen derzeit gerade einmal auf 200.000 Neubauten jährlich hoffen – wenn überhaupt.

Erste EZB-Zinssenkung für September 2024 erwartet

Von Seiten der EZB ist so bald keine Hilfe zu erwarten: Laut der am Montag vorgelegten Bloomberg-Umfrage erwarten Ökonomen, dass die Notenbank die Zinssätze erst im September 2024 senken wird. In der vorherigen Befragung war die Lockerung für März erwartet worden. "Die Botschaft der Währungshüter, dass es so bald keine Lockerung geben wird, kommt offenbar langsam an", urteilte Bloomberg. Wegen des anhaltenden Zinsanstiegs kommen Unternehmen immer schwerer an Kredite.

Dies zeigt sich auch an der KfW-Ifo-Kredithürde für den Mittelstand. Das Barometer sprang im dritten Quartal um 6,1 Prozentpunkte nach oben, wie die KfW zu Wochenbeginn mitteilte. 31,7% der kleinen und mittleren Unternehmen schätzten das Verhalten der Banken in Kreditverhandlungen als restriktiv ein, das ist etwas mehr als der bisherige Höchstwert seit der Überarbeitung der Befragungsmethodik im Jahr 2017. Während der Finanzmarktkrise und zu Beginn der 2000er Jahre lag der Anteil der Unternehmen, die mit strengeren Kreditzugangsbedingungen konfrontiert waren, allerdings noch deutlich höher, schränkte die KfW ein. Die nachlassende Finanzierungsbereitschaft der deutschen Immobilienfinanzierer zeigt sich auch im Deutschen Immobilienfinanzierungsindex Difi, den der Branchendienstleister JLL zusammen mit dem Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut erstellt hat.

Krise am Bau dämpft BIP

Ein deutlicher Rückgang der Bauproduktion wird auch die Wirtschaftsleistung hierzulande drücken. Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen hält ein Minus der Bauproduktion und damit auch der Bauinvestitionen von insgesamt 10% in den kommenden Monaten für realistisch. „Dies würde angesichts eines Anteils der Bauinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt von 12% dieses für sich genommen um mehr als 1% fallen lassen“, mahnt Solveen. Hinzu kämen indirekte Effekte auf den privaten Konsum, da weniger Neubauten der Erfahrung nach auch weniger Käufe von Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen bedeuten. Außerdem seien bei einem solchen Investitionsrückgang Jobverluste zu erwarten, die das verfügbare Einkommen drücken und somit den Konsum zusätzlich belasten. Solveen erwartet daher, dass das BIP im Winterhalbjahr weiter schrumpfen wird.

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