ZEW-Konjunkturerwartungen

Stimmungswende bei Börsenprofis außer Sichtweite

Finanzexperten zeigen sich im August etwas weniger pessimistisch für die deutsche Konjunktur. Dies liegt aber vor allem an den etwas besser als zuletzt ausgefallenen Rahmenbedingungen. Zudem wird die aktuelle Lage deutlich schlechter eingeschätzt. Wie hoch die Rezessionsgefahr weiter ist, zeigt der IMK-Konjunkturindikator.

Stimmungswende bei Börsenprofis außer Sichtweite

Stimmungswende außer Sichtweite

ZEW-Konjunkturerwartungen legen leicht zu – Lageurteil fällt deutlich schlechter aus

Finanzexperten zeigen sich im August etwas weniger pessimistisch für die deutsche Konjunktur. Dies liegt aber vor allem an den Rahmenbedingungen, die etwas besser ausfielen als zuletzt. Zudem wird die aktuelle Lage deutlich schlechter eingeschätzt. Wie hoch die Rezessionsgefahr weiter ist, zeigt der IMK-Konjunkturindikator.

ba Frankfurt

Börsenprofis blicken im August zwar etwas entspannter auf die weitere konjunkturelle Entwicklung in Deutschland und auch im gesamten Euroraum. Eine wirkliche Stimmungswende bedeuten die Anstiege der jeweiligen ZEW-Erwartungsbarometer aber nicht. Ökonomen bewerteten die Daten denn auch sehr zurückhaltend und sehen Deutschland weiter in der Rezession stecken. Erneut kreisen die Sorgen um die Baubranche, die am stärksten mit sich verschärfenden Finanzierungskonditionen und rückläufigen Neuaufträgen zu kämpfen hat. In diesem Monat wurden zudem die Aussichten der bislang noch relativ robusten Dienstleister am schwächsten beurteilt – hier laufen die Corona-Nachholeffekte aus.

Die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland kletterten im August um 2,4 auf minus 12,3 Punkte. "Die Finanzmarktexperten gehen somit bis Jahresende von einer leichten Verbesserung der konjunkturellen Lage aus", erläuterte Achim Wambach, Präsident des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Bemerkenswert sei, "dass die Befragten mehrheitlich keine weiteren Zinserhöhungen im Euroraum sowie den USA erwarten und die Konjunkturerwartungen für die USA stark gestiegen sind – daraus resultieren die verbesserten Erwartungen für Deutschland". Diese seien jedoch im Kontext einer deutlich verschlechterten Einschätzung der aktuellen konjunkturellen Lage in Deutschland zu betrachten, mahnte Wambach. Der Lageindikator gab um 11,8 auf minus 71,3 Punkte nach. "Vergleichbar schlecht" beurteilt wurde die konjunkturelle Lage zuletzt im Oktober 2022, als noch die Sorgen vor einer Energieknappheit und etwaigen Rationierungen groß waren.

Investitionsanreiz angemahnt

"Vor allem die desolate Lagebeurteilung nährt Rezessionsängste", urteilt Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Der Pessimismus sitze tief und fest. Auch wegen hoher Energiepreise würden Unternehmen daher genau prüfen, ob es sich anderswo besser produzieren lasse. Insbesondere die USA mit der staatlichen Förderung im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) und niedrigeren Energiepreisen haben als Standortalternative an Attraktivität gewonnen. Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), warnte am Dienstag im Fernsehsender Phoenix, dass sich Unternehmen zunehmend aus Kostengründen ins Ausland orientierten: "Hier muss die Bundesregierung dringend gegensteuern, damit das, was jetzt langsam beginnt, sich nicht zu einem Flächenbrand auswächst."

Wenn den Unternehmen aufgrund der hohen Energiepreise das Geld für Investitionen fehle, schade das am Ende auch dem Klimaschutz. Zudem gehe industrielle Substanz verloren. "Das ist eine richtige Gefahr für die Steuereinnahmen", so Dercks. "Das wichtigste Ziel muss sein, das Wachstumspotenzial hier in Deutschland zu halten." Entsprechend seien dringend Anreize für Investitionen nötig. „Ein zusätzlicher transformativer Impuls für die Investitionen“, etwa für erneuerbare Energien, gilt auch IMK-Konjunkturexperte Thomas Theobald als erforderlich. Aus konjunktureller Sicht sei es gut, wenn dieser möglichst zeitnah komme, bevor der Arbeitsmarkt ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen werde. „Auch eine baldige Einführung von ohnehin geplanten Maßnahmen, die zielgerichtet entlang der Einkommensverteilung den Konsum stabilisieren, wie die Kindergrundsicherung und das Klimageld, kann konjunkturell hilfreich sein“, sagte Theobald. Wenig zielführend seien hingegen ein „klassisches Konjunkturpaket mit kurzzeitigen Maßnahmen“, die die Nachfrage ankurbeln, oder die aktuell kursierenden Steuersenkungsvorschläge.

IMK-Indikator zeigt akute Rezessionsgefahr

Insgesamt sieht das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung eine akute Rezessionsgefahr für die hiesige Wirtschaft. Für den Zeitraum von August bis Ende Oktober weist der IMK-Konjunkturindikator, der die neuesten verfügbaren Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen bündelt, eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 71,5% aus. Im Juli waren es für die folgenden drei Monate 78,5%.

Die 148 monatlich vom ZEW befragten Analysten und institutionellen Anleger zeigten sich im August mit Blick auf den gemeinsamen Währungsraum etwas optimistischer: So stiegen die Erwartungen an die Konjunkturentwicklung stark um 6,7 auf –5,5 Punkte. Der Lageindikator kletterte um 2,4 auf nun –42,0 Zähler.

| Quelle:
BZ+
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