Strandhaus statt Kriegsspiele
Manchmal muss man nur die Perspektive wechseln, um den Ausweg aus einer ausweglosen Situation zu finden. US-Präsident Donald Trump scheint das bei dem historischen Treffen mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un in Singapur gelungen zu sein. Der Immobilienunternehmer a. D. riet Kim dazu, die seit Jahrzehnten vertrackte Lage des Regimes in einer Pattstellung mit dem südlichen Nachbarn und dessen Schutzmacht USA aus der Perspektive eines Immobilienunternehmers zu sehen, wie Trump an der Pressekonferenz nach dem vierstündigen Gespräch zum Besten gab. Was, wenn Kim an den “wunderschönen Stränden” Nordkoreas Appartementhäuser bauen könnte, statt immer nur Artillerie und Raketen zu testen? Die Idee gefiel Kim offenbar so gut, dass er sich prompt auf das Ziel einer Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel verpflichtete. Kritische Beobachter wenden ein, dass die in der gemeinsam unterzeichneten Erklärung enthaltene Selbstverpflichtung nicht über das hinausgeht, was das nordkoreanische Regime zum ersten Mal bereits im Jahre 1993 angekündigt hat, und dass die Erklärung jedes Detail über konkrete Schritte schuldig bleibt. Ganz abgesehen davon, dass man in Pjöngjang unter dem Stichwort Denuklearisierung seit Jahrzehnten darauf pocht, dass Südkorea nicht mehr unter dem Schutz der Atommacht USA steht. Die Positionen des Regimes sind nach dem Treffen unverändert. Das ist mager, wenn man bedenkt, dass Trump seinem Gesprächspartner erstmals den Schlüssel für die Vorderbühne zur Weltöffentlichkeit ausgehändigt hat, Nordkorea jetzt de facto als Nuklearmacht anerkannt ist und das Regime neben schriftlichen Sicherheitsgarantien auch die mündliche Zusage für ein Ende der gemeinsamen Militärübungen der USA mit Südkorea erhalten hat. Erstaunlich ist, dass sich Trump bei der Beschreibung dieser Manöver als “Kriegsspiele” der nordkoreanischen Propaganda angeschlossen hat. Verblüffend ist die Reaktion aus Seoul, die nahelegt, dass Trump dieses Zugeständnis nicht mit den Partnern abgesprochen hatte. Die Welt ist heute dennoch ein sichererer Ort als gestern. Das Treffen mit Kim ist für Trump deshalb ein Erfolg, selbst wenn er teuer erkauft scheint. Jetzt bleibt abzuwarten, ob der Diktator, der bei einem Stadtrundgang in Singapur wie ein Rockstar gefeiert wurde, an der großen Bühne genug Gefallen gefunden hat, um Trump für seinen Einsatz zu belohnen – am besten vor der Wahl 2020, sofern Kim die Perspektive des Immobilienunternehmers beibehält.