DIE EZB IM BRENNPUNKT

Strategiedebatte birgt Konfliktstoff

Ringen um Inflationsziel erwartet - Kontroversen über Instrumente - "Grüne" Geldpolitik umstritten

Strategiedebatte birgt Konfliktstoff

Der EZB-Rat hat bei seiner ersten Sitzung im Jahr an seiner ultralockeren Geldpolitik festgehalten und zugleich die erste umfassende Strategieüberprüfung seit 2003 beschlossen. Dabei kommen viele kontroverse Themen auf den Tisch – über die auch jenseits der Notenbank mitunter heftig gestritten wird.Von Mark Schrörs, FrankfurtDie Europäische Zentralbank (EZB) steuert bei der nun gestarteten Überprüfung ihres geldpolitischen Rahmenwerks auf intensive und teils absehbar kontroverse Diskussionen zu. Ob die Definition des Inflationsziels, die Wege und Instrumente zur Erreichung dieses Ziels oder die Frage nach der Rolle der EZB im Kampf gegen den Klimawandel – viele der zentralen Themen der Überprüfung sind hoch umstritten.Gestern gab der EZB-Rat wie erwartet den Startschuss für die erste Überprüfung der geldpolitischen Strategie seit 2003. Die EZB folgt damit etwa dem Beispiel der US-Notenbank Fed. Die Weltfinanzkrise hat an vielen Grundfesten der Geldpolitik gerüttelt. Ein großes Rätsel ist etwa, warum die Inflation trotz Jahren mit ultralockerer Geldpolitik nicht wie erwartet anzieht.Die EZB-Überprüfung im Jahr 2003 hatte im Wesentlichen das Rahmenwerk bestätigt und primär bei der Definition von Preisstabilität eine Veränderung gebracht. 1998 hatte der EZB-Rat Preisstabilität als eine positive Inflationsrate von “unter 2 %” auf mittlere Frist definiert. 2003 stellte er klar, dass er dabei “unter, aber nahe 2 %” anstrebt. Seitdem gilt das de facto als Zieldefinition. Beobachter erwarten nun mit Spannung, ob es erneut eher kleine oder größere Veränderungen gibt.Ein Schwerpunkt der jetzt bis Ende 2020 angesetzten Überprüfung soll auf der quantitativen Formulierung von Preisstabilität und den Ansätzen und Instrumenten liegen, mit denen Preisstabilität erreicht wird, wie die EZB gestern mitteilte.Was das Ziel von “unter, aber nahe 2 %” betrifft, ist unklar und auch im EZB-Rat umstritten, was damit genau gemeint ist: Einige Notenbanker halten 1,5 % oder gar weniger für in Einklang mit dieser Definition, andere aber nur rund 1,9 %. In Notenbankkreisen wird jetzt diskutiert, das Ziel auf 2 % festzuschreiben. Aus Sicht einiger Ratsmitglieder würde das für mehr Klarheit sorgen. Zugleich gibt es aber einige Euro-Hüter, die nichts gegen weniger als 2 % Inflation einzuwenden haben – zumal in Zeiten, in denen die Globalisierung und der technologische Fortschritt preisdämpfend wirken. Eine genauso zentrale wie umstrittene Frage ist, inwieweit das EZB-Ziel symmetrisch ist – also eine zu niedrige Inflation genauso schlecht ist wie eine zu hohe Inflation.Uneinigkeit herrscht bislang auch darüber, wie sehr aus einer zu niedrigen Inflation fast automatisch Handlungsdruck entsteht und welche Instrumente im Zweifelsfall zum Einsatz kommen sollen. Einige Notenbanker argumentieren, dass es nach schweren Krisen wie der Weltfinanzkrise einfach länger brauche, bis die knapp 2 % wieder in Reichweite geraten. Andere warnen, dass eine dauerhafte Akzeptanz niedrigerer Inflationsraten die Inflationserwartungen ins Rutschen bringen könnte. Dann würde es noch schwerer, in der Zukunft das Ziel zu erreichen.Bei den Instrumenten schließlich sind neben den Negativzinsen vor allem die breiten Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE) hoch umstritten. Ex-EZB-Präsident Mario Draghi etwa nannte QE wiederholt ein “normales Instrument” – eine Sichtweise, die viele andere Notenbanker teilen. Bundesbankchef Jens Weidmann sieht solche Käufe dagegen als reines Notfallinstrument, etwa bei Deflationsgefahr. “Fed listens” als VorbildAls weiteres Konfliktthema dürfte sich die Rolle der EZB im Kampf gegen den Klimawandel entpuppen. Lagarde selbst hat klargemacht, dass sie da eine neue Rolle und besondere Verantwortung für die EZB sieht. Das untermauerte sie auch gestern noch einmal. Sie machte klar, dass es um verschiedene Bereiche gehe, dass sie aber auch über die Einbeziehung von Klimaaspekten in die Geldpolitik sprechen wolle – etwa im Rahmen der Unternehmensanleihekäufe bei QE. Im EZB-Rat ist speziell eine solche “grüne” Geldpolitik umstritten.Im Zuge der Überprüfung soll es nach dem Vorbild der Fed und der Events unter dem Motto “Fed listens” (“Die Fed hört zu”) auch öffentliche Diskussionen geben. Wie bereits berichtet, wird etwa die ECB Watchers Conference in Frankfurt im März explizit für den Austausch genutzt und in einem veränderten Format über das Mandat, die Instrumente und die Strategie diskutiert werden (vgl. BZ vom 22. Januar).