Corona

Streit in Italiens Regierung um Lockerung

Die Lega unter ihrem Parteichef Matteo Salvini stimmte im Kabinett dem Fahrplan der Regierung zur Lockerung der Coronaregeln nicht zu und forderte weitergehende Öffnungen. Eine Regierungskrise droht.

Streit in Italiens Regierung um Lockerung

bl Mailand

In der italienischen Regierung gibt es ernsthafte Spannungen zwischen der rechtsnationalen Lega und Premierminister Mario Draghi sowie vor allem den Linksparteien. Die Zeitung „La Repubblica“ spricht gar von einer „politischen Krise“. Die Lega unter ihrem Parteichef Matteo Salvini stimmte im Kabinett dem Fahrplan der Regierung zur Lockerung der Coronaregeln nicht zu und forderte weitergehende Öffnungen, insbesondere eine Verschiebung der nächtlichen Ausgangssperre von 22 auf 23 Uhr. Draghi zeigte sich irritiert. Man könne gemeinsam gefasste Beschlüsse nicht einfach in Frage stellen, so der Premierminister. Angeblich dachte Industrieminister Giancarlo Giorgetti von der Lega sogar an einen Rücktritt.

Das Kabinett verlängerte den Ausnahmezustand bis Ende Juli. Vom kommenden Montag an dürfen jedoch Restaurants in den „gelben Zonen“ mit weniger Coronafällen im Außenbereich öffnen, ab Juni auch innen. Die Reisebeschränkungen werden gelockert und im Laufe der nächsten Wochen öffnen sukzessive auch Theater, Kinos, Schwimmbäder, Konzertsäle, Messen, Kongresse, Stadien, Fitnessclubs sowie Schulen. Draghi hat angesichts des wachsenden Drucks der Straße, aus den Regionen und seitens der Rechtsparteien ohnehin schon eingelenkt. Die hohe Zahl der Neuansteckungen und eine nach wie vor schleppend vorankommende Impfkampagne rechtfertigen eigentlich noch keine weitreichenden Öffnungen.

Doch die Wirtschaftszahlen sind schlecht. Die Wirtschaft drängt auf Lockerungen. Es kommt hinzu, dass Salvini sich unter Druck der rechts der Lega stehenden Fratelli d’Italia radikalisiert. Deren Chefin Giorgia Meloni lehnte eine Regierungsbeteiligung ab. In Umfragen rückt sie immer näher an Salvini heran.

Draghi will am heutigen Freitag seine Pläne für die Verwendung der Mittel des europäischen Wiederaufbauprogramms vorstellen. Das Programm soll nächste Woche in den beiden Häusern des Parlaments diskutiert und anschließend nach Brüssel übermittelt werden. Draghi will die europäischen Mittel mit nationalen Maßnahmen aufstocken. Insgesamt will er bis 2026 mehr als 220 Mrd. Euro ausgeben, davon 57 Mrd. Euro für den ökologischen Umbau, 43,5 Mrd. Euro für die Digitalisierung, 32 Mrd. Euro für Forschung und Bildung, 25 Mrd. Euro vor allem für den Bahn-Hochgeschwindigkeitsverkehr und 20 Mrd. Euro für das Gesundheitswesen. Er erwartet sich dadurch 2026 einen zusätzlichen Wachstumsimpuls von 3% des Bruttoinlandsprodukts.

Mit Spannung wird in Rom das Urteil der Ratingagentur Standard & Poor’s am heutigen Freitag erwartet. Im Fokus dürften die Nachtragshaushalte, Verschuldung und Aufbauprogramm stehen.