Streit über Reformaufschub für Athen

EZB nicht zur Übernahme zusätzlicher Kosten bereit - IWF für Fristverlängerung

Streit über Reformaufschub für Athen

BZ Tokio – Im Streit über eine Lockerung der Sparschraube in Griechenland ist die Europäische Zentralbank (EZB) nicht zur Übernahme zusätzlicher Kosten bereit. EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré sagte der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag in Tokio, zwar könne es helfen, den Griechen zwei Jahre mehr Zeit bei der Sanierung ihrer Finanzen zu geben. Das würde allerdings Geld kosten: “Und das ist nicht unsere Aufgabe, weil wir keine Staaten finanzieren.” Zum Auftakt der Jahrestagung des IWF in Japan setzten IWF-Chefin Christine Lagarde und Finanzminister Wolfgang Schäuble ihren Schlagabtausch über den weiteren Umgang mit Griechenland auf offener Bühne fort. Während Lagarde für einen Aufschub ist, will Schäuble nicht am Zeitplan rütteln.Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am vereinbarten Zeitplan festhalten. “Wir haben ein Prozedere vereinbart, das sinnvoll ist und an das wir uns halten werden”, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Maßgeblich für alle weiteren Entscheidungen sei der Troika-Bericht. “Das ist das, was für uns am Ende zählt.” Der Troika-Bericht von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und EZB steht noch aus. Ohne die Hilfstranche von 31,5 Mrd. Euro droht dem Land die Pleite.Angesichts drängender Probleme in der Eurozone ist es möglich, dass die Staats- und Regierungschefs der 17 Mitgliedsländer am Rande des regulären EU-Gipfels nächste Woche zu Beratungen zusammenkommen. Nach dpa-Informationen ist aber bisher keine besondere Zusammenkunft der Euro-“Chefs” angesetzt. Die Staatenlenker aller 27 EU-Länder werden am Donnerstag und Freitag (18. und 19. Oktober) in Brüssel zu ihrem Herbstgipfel zusammenkommen. Das wichtigste Thema ist die Reform der Eurozone. Erst zu Wochenbeginn hatte die Ratingagentur Standard & Poor’s die Kreditwürdigkeit Spaniens weiter nach unten geschraubt.Im Falle Griechenlands hatte IWF-Chefin Lagarde vor der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Tokio einen Aufschub von zwei Jahren für Athen ins Gespräch gebracht. Um diese Frist hatte der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras wochenlang in den wichtigsten Hauptstädten Europas gebeten. Aufschub bei der Sanierung der Staatsfinanzen war zuvor schon Spanien und Portugal gewährt worden.Coeuré machte in dem Reuters-Interview klar, dass die EZB nicht bereit ist, den schwarzen Peter zu übernehmen, falls sich die Geldgeber Griechenlands einigen sollten, den Reformzeitplan bis 2016 zu strecken. Wie hoch die Kosten einer Verzögerung wären, ist unklar. Die Regierung in Athen hält es für möglich, Fristen zu verlängern, ohne den Euro-Rettungsschirm EFSF und den IWF zusätzlich zu belasten. Schätzungen gehen dagegen von einem zusätzlichen Kapitalbedarf von mindestens 20 Mrd. Euro aus. Die EZB ist an dem 130-M rd.-Euro-Hilfsprogramm nicht direkt beteiligt, spielt aber eine Rolle bei der Refinanzierung des Landes, etwa indem sie die Zugangsbedingungen der Banken zu EZB-Darlehen festlegt. Zudem ist sie bereit, unbegrenzt Anleihen von Euro-Ländern zu kaufen, die unter den Schutzschirm gehen.Der IWF setzt sich mittlerweile für eine stärker auf Wachstum ausgerichtete Reform-Linie ein. Neben Griechenland solle auch Spanien mehr Zeit zur Etat-Sanierung gegeben werden. IWF-Chefin Lagarde betonte: “Wenn man (…) den Mangel an Wachstum, den Marktdruck und die Anstrengungen nimmt, die das Land unternommen hat, wäre ein bisschen mehr Zeit nötig.” Schäuble hielt dagegen, dass vom Kurs, die Staatsfinanzen nachhaltig in Ordnung zu bringen, nicht abgewichen werden sollte. Sonst würde weiteres Vertrauen verspielt: “Nachhaltige Finanzen sind die Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum.” Der für November geplante Troika-Bericht müsse abgewartet werden, Spekulationen über Fristverlängerungen erzeugten Unsicherheit.Die IWF-Kursänderung wurde von führenden Schwellenländern ebenso wie von früheren Kritikern unterstützt. Sie hatten dem Fonds lange vorgeworfen, Krisenländer mit zu harten Auflagen für Hilfskredite zu strangulieren. “Wir haben eine ganze Zeit dagegen argumentiert, dass eine einseitige und drakonische Finanzpolitik kontraproduktiv wirken könnte”, sagte der brasilianische Finanzminister Guido Mantega. Auch US-Regierungsvertreter unterstützten den Vorschlag, Euro-Krisenländern mehr Zeit zur Ordnung ihrer Finanzen zu geben.